Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

WWF & Open Supply Hub "Avant-Garde: The Water Risks and Opportunities Facing Apparel and Textiles Clusters" (PDF): Der Bericht nutzt die Möglichkeiten von "Big Data", indem er auf fast 100.000 Datenpunkte des Open Supply Hub zurückgreift und diese mit Datensätzen von Dutzenden von Wasserrisikoindikatoren, die über 60.000 globale Einzugsgebiete abdecken, zusammenführt. Einige Cluster sind besonders dicht besiedelt (z.B. Dhaka), wodurch sie einem größeren Risiko ausgesetzt sind, aber auch eine größere Chance zur Zusammenarbeit haben. Während sich die Branche häufig auf Wasserknappheit und -effizienz konzentriert, sind im Großen und Ganzen Überschwemmungsrisiken und Wasserqualität die wichtigsten Risiken, denen die Branche Priorität einräumen muss. Angesichts der zunehmenden klimatischen Instabilität muss die Branche ihre Zulieferer in die Lage versetzen, ihre Widerstandsfähigkeit zu verbessern, um Unterbrechungen der Lieferkette zu vermeiden, die wahrscheinlich auftreten werden - wie die jüngsten Überschwemmungen in Indien und Pakistan gezeigt haben. Angesichts der doppelten Herausforderung des Überschwemmungsrisikos und des Risikos für die Wasserqualität bietet die Konzentration auf den Schutz, das Management und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten einen logischen Weg für die Industrie, denn diese tragen nicht nur dazu bei, Überschwemmungen einzudämmen, sondern reinigen auch das Wasser und können dazu beitragen, Wasserknappheit zu bekämpfen (Part 1 der Reihe: "Eau Courant: Water Stewardship In Apparel and Textiles" (PDF)).

Changing Markets Foundation "Synthetics Anonymous 2.0 - Fashion’s persistent plastic problem" (PDF): Der Bericht deckt die mangelnden Fortschritte auf, die die Modeindustrie bei der Bekämpfung ihrer Abhängigkeit von Synthetikfasern gemacht hat. Ein Jahr nach "Synthetics Anonymous: Fashion Brands' addiction to fossil fuels" (PDF) (News Update der KW 27 2022) bewertet der Folgebericht, wo die globalen Bekleidungsunternehmen bei der Verringerung der Abhängigkeit von synthetischen Fasern und ihrer Transparenz bei der Verwendung stehen. Es wurden 55 Marken mit Fragen zu verschiedenen Themen angeschrieben, u.a. der Verwendung von synthetischen Fasern, der Verwendung von recycelten Fasern, der Verpflichtung zum Ausstieg aus der Verwendung von synthetischen Fasern, zur Entsorgung von synthetischen Fasern & Freisetzung von Mikrofasern, der Klimaziele und der Position der Unternehmen zu der in der EU-Textilstrategie vorgeschlagenen Gesetzgebung. Die Analyse der Antworten auf den Fragebogen zeigt, dass sich die Abhängigkeit der Modebranche von synthetischen Fasern in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich verändert hat. Inmitten einer sich beschleunigenden Klimakrise verzeichnet jedes vierte der größten Modeunternehmen eine stärkere Abhängigkeit von Stoffen, die aus fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Kohle gewonnen werden. So beziehen z.B. Adidas, H&M und C&A von der chinesischen Hengli Group, die in ein 20-Milliarden-Dollar-Projekt investiert hat, um bis Ende '25 Polyester aus Kohle herzustellen. Positiv zu vermerken ist, dass die Modemarken mehrere der in der EU-Textilstrategie vorgeschlagenen politischen Elemente deutlich unterstützen. Die Europäische Kommission muss sich für die Umsetzung dieser legislativen Lösungen einsetzen, um die negativen Umweltauswirkungen der Modeindustrie zu verringern (Zusammenfassung (PDF)).

Better Buying "Win-Win Partnership: how suppliers are investing savings when buyers accept recently completed audits - Highlights from the Better Buying Purchasing Practices Index": Laut der Untersuchung profitieren die Arbeitnehmer*innen, wenn globale Marken und Einzelhändler standardisierte Audits von Bekleidungsfabriken akzeptieren. Das heißt, Einkäufer führen keine eigenen Audits durch, sondern akzeptieren kürzlich abgeschlossene Audits und Bewertungen, wie z.B. von der Social & Labor Convergence (SLCP), eine gemeinnützige Multi-Stakeholder-Initiative, die Instrumente und das System für einen qualitativ hochwertigen, vergleichbaren Datensatz über Arbeitsbedingungen bereitstellt, der von allen Interessengruppen der Branche genutzt werden kann. Dies soll die Transparenz in den Lieferketten erhöhen, den Bedarf an Sozialaudits verringern und es den Nutzer*innen ermöglichen, ihre Ressourcen in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu investieren. Lieferanten, die am Better Buying Purchasing Practices IndexTM 2022 teilnahmen, wurden gefragt, ob ihr Einkäufer standardisierte Audits anstelle von käuferspezifischen Audits oder Bewertungen akzeptiert. 63,8 % bejahten dies, wobei etwas mehr als ein Fünftel (22,5%) angab, dass ihr Einkäufer das Converged Assessment Framework (CAF) der SLCP akzeptiert. Diese Lieferanten berichteten über eine Reihe von Vorteilen, die sich aus der Akzeptanz des CAF durch ihren Einkäufer ergeben, darunter: Mehr Klarheit über Korrekturmaßnahmen (63,7%), weniger Zeitaufwand für das Personal bei Audits (58%) und Einsparungen bei den Auditkosten (46,7%). Von den Lieferanten, die angaben, dass sie infolge der Akzeptanz des CAF durch ihre Einkäufer Geld einsparen, schätzten die die meisten (66,7%), dass sie bis zu 5.000$ pro Jahr einsparen, wobei 4,3% Einsparungen von mehr als 20.000$ angaben. Auf die Frage, wie sie diese Einsparungen investierten, gaben 36,7% an, in den Arbeitsplatz zu investieren, 35,3% boten ihren Mitarbeiter*innen neue Programme an und 7,7% zahlten höhere Löhne.

News

Lieferkettengesetz: Seit dem 1. Januar ist das Lieferkettengesetz in Deutschland in Kraft und verpflichtet Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeiter*innen, Verantwortung für Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten zu übernehmen. Die Initiative Lieferkettengesetz bezeichnet das Gesetz als Meilenstein, kritisiert jedoch u.a. das Fehlen einer zivilrechtlichen Haftungsregel. Heike Drillisch, Koordinatorin des CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung, fordert vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nun eine wirkungsvolle Umsetzung des Gesetzes in enger Kooperation mit der Zivilgesellschaft und Betroffenenvertreter*innen. Auch standardsetzende Organisationen wie Fairtrade und FairWear begrüßen das neue Gesetz und gehen auf die Kritik der Zivilgesellschaft ein (PDF), dass Multi-Stakeholder-Initiativen und Zertifizierungen zu einem problematischen Greenwashing führen können, wenn sie allein als Nachweis für die Sorgfaltspflicht eines Unternehmens dienen sollen: „Ambitionierte und vertrauenswürdige Standard- und Zertifizierungssysteme können (...) zwar einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten leisten und sollten als ein Element bei der Umsetzung aufgenommen werden, sie können Unternehmen jedoch nicht grundsätzlich oder pauschal von ihrer Verantwortung zur Umsetzung von vollumfänglichen Sorgfaltspflichten befreien oder diese stellvertretend für sie erfüllen.“ Noch Mitte Dezember forderte die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, den Start des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auf den 1. Januar 2025 zu verschieben, um Unternehmen in der derzeitigen Krise nicht noch mehr zu belasten. Wirtschaftsvertreter*innen kritisieren u.a. den umfangreichen Fragenkatalog des BAFAs und fordern eine Vereinfachung des Gesetzes.

Pakistan ACCORD: 10 Jahre nach dem verheerenden Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karachi wurde der Internationale ACCORD für Pakistan verkündet. Das Abkommen orientiert sich am Bangladesch ACCORD, der als Reaktion auf den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 unterzeichnet wurde. Er sieht wesentliche Mechanismen zur Verbesserung der Sicherheitsstandards in Fabriken vor, die für die unterzeichnenden Marken rechtsverbindlich sind. Gewerkschaften und NGOs feiern die Bekanntgabe des Abkommens als großen Erfolg. Die Entscheidung, das Abkommen auf Pakistan auszuweiten, wurde während einer Sitzung des Markenausschusses der Unterzeichner am 14. Dezember 2022 bekannt gegeben. Die 188 Marken des International ACCORD werden ein Informationspaket über die Pakistan-Vereinbarung erhalten und ab dem 16. Januar 2023 zur Unterzeichnung aufgefordert werden. Textilbündnis-Unternehmen Kik hatte bereits vor der Entscheidung seine Unterstützung angekündigt und appellierte an alle Beteiligten, den Weg schnell freizumachen.

ILO 190: Am 21.12.22 hat das Bundeskabinett die Ratifizierung der ILO-Konvention 190 zur Beseitigung von Belästigung und Gewalt in der Arbeitswelt beschlossen. Bereits am 21. Juni 2019 wurde die Konvention von der ILO nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedet; seitdem machten sich Zivilgesellschaft und Gewerkschaften für die Ratifizierung stark. Auch Unternehmen des Textilbündnisses hatten in einem Schreiben an Hubertus Heil und Svenja Schulze die Bundesregierung aufgefordert, die ILO-Konvention 190 zu unterzeichnen. Mit dem Übereinkommen und der Empfehlung 206 liegt erstmalig eine internationale Konvention vor, die klare Richtlinien für die Arbeitswelt im Kampf gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz schafft. Mit dem Start des Ratifizierungsprozesses setzt Deutschland ein wichtiges Zeichen für gute Arbeitsbedingungen und Geschlechtergerechtigkeit weltweit und schafft einen klaren Aktionsrahmen für die Beendigung von Diskriminierung und Gewalt am Arbeitsplatz.

Produktionsländer

Allgemeines Update: Die gesunkene Nachfrage führt weiterhin in vielen Ländern dazu, dass Fabriken geschlossen und Arbeiter*innen entlassen werden. In Sabhar, Bangladesch wurden tausende Arbeiter*innen durch Ankündigen an den Toren über die Schließung der Fabriken auf unbestimmte Zeit informiert. Stellvertreter der Fabrik gaben einen Rückgang der Aufträge und einen Mangel an Rohstoffen als Gründe an. Die Fabrikgruppe hatte bereits während der Coronakrise Lohnzahlungen ausgesetzt. In Surat, Indien haben 15 Textilfärbereien und -druckereien aufgrund der hohen Kosten und des knappen Angebots an Kohle ihre Produktion pausiert. In Cebu, Philippinen wurden etwa 4.000 Beschäftigte aufgrund von ausbleibenden Aufträgen entlassen. Das Business & Human Rights Resource Centre forderte die beziehenden Marken (u.a. Adidas) auf, Informationen zu liefern: (1) gibt es eine kürzlich erfolgte oder geplante Änderung des Auftragsvolumens; und (2) wie sie mit den Zulieferern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass ein angemessener sozialer Dialog und Konsultationen stattfinden. Insgesamt wurden auf den Philippinen bereits mehr als 9.400 Arbeiter*innen (3,5% der Textilarbeiter*innen insgesamt) entlassen oder in einen Sonderurlaub geschickt. Die geschäftsführende Direktorin der Confederation of Wearable Exporters of the Philippines (CONWEP) warnte, dass die Zahl auf 8-10% steigen könnte, wenn die globale Nachfrage weiter sinkt. In der Türkei haben seit August ca. 20.000 Menschen in der Textilindustrie ihren Job verloren. Der Vorsitzende des Verbandes der türkischen Bekleidungshersteller (TGSD) vermutet zukünftig einen Produktionsrückgang von 20-30%, somit könnten ca. 130.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. In Vietnam sind die Aufträge im Vergleich zum Vorjahr aus den Vereinigten Staaten um 30-40% und aus Europa um 60% zurückgegangen. In den letzten vier Monaten des Jahres wurden die Arbeitszeiten von mehr als 470.000 Arbeitnehmer*innen gekürzt, während etwa 40.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben - 30.000 davon Frauen im Alter von 35 Jahren oder älter. In einem Video von AFP erklärt eine entlassende Bekleidungsarbeiterin, dass ihre derzeitige Situation schlimmer als während der COVID-19-Krise sei.

Thailand: In der Fabrik VK Garment an der Grenze zu Myanmar stellten Hunderte von burmesischen Arbeiter*innen Jeans für Tesco her. Sie berichten von Ausbeutungsbedingungen mit 99-Stunden-Wochen, einem freien Tag im Monat und unrechtmäßig niedrigen Löhnen. Im August 2020 verloren 136 Arbeitnehmer*innen ihren Arbeitsplatz, nachdem sie einen Mindestlohn gefordert hatten. Andere berichten von Kinderarbeit und, dass sie bei Audits Angst hatten, ihren Job zu verlieren, wenn sie die Wahrheit erzählten. Mehr als einem Dutzend Arbeiter*innen berichteten, dass die Fabrik die Kontrolle über ihre Bankkonten übernahm, ihre Passwörter änderte und sie in bar auszahlte, was eine falsche Spur hinterließ, die auf einen Mindestlohn schließen ließ. Im Oktober 2020 reichten ca. 130 Beschäftigte eine Klage bei der thailändischen Behörde für Arbeitsschutz ein. Sie forderten nicht gezahlte Löhne, Überstundenvergütung, Urlaubsgeld und Vergütung für wöchentliche Ruhetage. Die Behörde ordnete jedoch nur die Zahlung von Abfindungen und Kündigungsgeldern an; bisher wurde nichts gezahlt. Die Bekleidungsarbeiter*innen klagen nun vor britischem Gericht gegen das Unternehmen. Die Klage richtet sich auch gegen die Auditfirma Intertek. Nach Ansicht der Anwält*innen ist dies das erste Mal, dass ein Sozialauditor in einen derartigen Rechtsstreit verwickelt wird. Unter den Kläger*innen befindet sich auch ein Mädchen, das mit sieben Jahren in der Unterkunft der Fabik vergewaltigt wurde, als ihre Mutter spät abends arbeitete. Die thailändische Polizei hat Ende Dezember damit begonnen, mehr als 100 ehemalige Arbeiter*innen der Fabrik zu befragen, um herauszufinden, ob sie Opfer von Zwangsarbeit waren. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass dies nur eine "Scheinuntersuchung" war und die Polizisten verweigerten die schriftliche Aufnahme der Aussagen Arbeiter*innen und berichteten später, dass keine Gesetze verletzt worden seien. In einem weiteren Artikel wird die allgemeine Lage in Fabriken in der Grenzregion Mae Sot beschrieben: Fast alle Bekleidungsfabriken hier sind auf den Zustrom billiger burmesischer Arbeitskräfte angewiesen, die vor Krieg und wirtschaftlicher Not fliehen. Ihre harte Arbeit, ihre Bereitschaft, Löhne zu akzeptieren, die weit unter dem thailändischen Mindestlohn liegen, und ihr Mangel an gesetzlichen Rechten machen sie zu attraktiven Arbeitskräften für Fabriken, die versuchen, ihre Kosten zu senken.

Unternehmen im Textilbündnis

Hugo Boss wird künftig fünf Cent jedes Verkaufs spenden. Die Initiative “Every Purchase Counts – Jeder Kauf zählt” startete im Januar und ist die Haupteinnahmequelle der neuen gemeinnützigen Stiftung des Unternehmens. Die neue Stiftung, die eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Hugo Boss Ag ist, legt einen besonderen Fokus auf den Umweltschutz und wird lokale, regionale und weltweite Projekte, wie Hochwasserschutz, Klimainnovation, Bildung und den Kampf gegen Plastikverschmutzung unterstützen.

H&M: Nach einer Umsatzdelle im Sommer hat das Wachstum von H&M im Schlussquartal des Geschäftsjahres 21/22 wieder angezogen. Die Erlöse stiegen in den drei Monaten bis Ende November im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 10% auf 5,7 Mrd. Euro (Umsatzplus von 12%). Aufgrund von Sparmaßnahmen entließ H&M im November 1.500 Mitarbeitende. H&M verkündete zudem, seine absoluten Scope-1- und Scope-2-Emissionen sowie seine Scope-3-Emissionen bis 2030 um 56% zu senken zu wollen (ausgehend von einem Basisjahr 2019). Für das Vorhaben werde ein jährliches Budget von rund 283,4 Mio. USD eingesetzt.