Studien und Co.
INKOTA und SOMO "Spotlight auf Leder: Eine Analyse von 100 Unternehmen zur Transparenz in der Lieferkette" (PDF): Der Bericht analysiert die Praxis der Transparenz von 100 Unternehmen, die Lederwaren - Jacken, Schuhe, Gürtel, Handschuhe, Taschen verkaufen (Liste der 100 Unternehmen hier). Das Fazit: Menschen, die nachhaltige Produkte aus Leder kaufen wollen, werden über die Herkunft der Produkte im Unklaren gelassen. Es gibt keine Informationen über die Einhaltung von Menschenrechten oder den Umgang mit gesundheitsgefährdenden Stoffen. Weniger als ein Drittel der befragten Unternehmen veröffentlichen eine Lieferant*innenliste. Nur sieben Unternehmen machen Angaben zu Sozial Audits, kein einziges zu Löhnen oder Menschenrechten. Die Lieferkettentransparenz der 100 ausgewählten Unternehmen ist ungenügend. Von den 29 Lieferant*innenlisten enthalten zwölf lediglich Informationen über Lieferant*innen der ersten Ebene. Die tiefere Lieferkette bleibt im Dunkeln und damit auch die Gerbereien (englische Langfassung von SOMO) (PDF).
Zwangsarbeit
KnowTheChain "Forced Labour Risks, Remedy and Changing Regulation" (PDF): In dem Briefing werden die wichtigsten Ergebnisse der Daten zu 184 Unternehmen vorgestellt, die in den Benchmarks 2020 u. 2021 im Hinblick auf die Verbreitung von Zwangsarbeit in globalen Lieferketten in drei Hochrisikosektoren bewertet wurden: IKT, Lebensmittel & Getränke, Bekleidung & Schuhe. Trotz einiger Fortschritte besteht das Risiko von Zwangsarbeit in diesen Sektoren weiterhin, und dort, wo Zwangsarbeit aufgedeckt wird, sind die erkennbaren Abhilfemaßnahmen nach wie vor begrenzt. Nur die Hälfte aller bewerteten Unternehmen gibt an, eine Risikobewertung der Menschenrechte in ihren Lieferketten durchzuführen; zwei Drittel der bewerteten Unternehmen geben nicht an, dass sie in ihren Lieferketten Zwangsarbeitsrisiken festgestellt haben; von 43 Unternehmen, die mit Vorwürfen von Zwangsarbeit in ihren Lieferketten in Verbindung gebracht wurden, konnten fast drei Viertel (72 %) nicht nachweisen, dass die betroffenen Arbeitnehmer*innen entschädigt wurden.
ILO, Walk Free und die International Organization for Migration "Global Estimates of Modern Slavery Forced Labour and Forced Marriage" (PDF): Jüngsten globalen Schätzungen zufolge lebten im Jahr 2021 50 Mio. Menschen in moderner Sklaverei. Von diesen Menschen waren 28 Mio. in Zwangsarbeit und 22 Mio. in Zwangsheirat gefangen. Leider ist die Zahl der Menschen, die in moderner Sklaverei leben, in den letzten fünf Jahren deutlich angestiegen. Im Jahr 2021 werden 10 Mio. mehr Menschen in moderner Sklaverei leben als in den globalen Schätzungen von 2016. Frauen und Kinder sind weiterhin unverhältnismäßig stark gefährdet. Wanderarbeiter*innen sind mehr als dreimal so häufig von Zwangsarbeit betroffen wie erwachsene Arbeitnehmer*innen ohne Migrationshintergrund.
News
Lieferkettengesetz: Ende September forderte FDP-Vize Vogel eine Aufschiebung des Lieferkettengesetzes bis mindestens 2024 (oder bis zum Inkrafttreten des EU-Lieferkettengesetzes), um Unternehmen zu entlasten. Die SPD veröffentlichte daraufhin eine Pressemitteilung, in der klargestellt wurde, dass ein Aufschieben des Gesetzes für sie nicht in Frage kommt. Nach Kritik Vogels, die zuständige Behörde, das BAFA, hätte nicht genügend Personal, entgegnete das BAFA, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und planmäßig. In einem Interview mit der WirtschaftsWoche erklärt der Präsident des BAFAs, Torsten Safarik, außerdem "wenn jemand das Gesetz nicht befolgen will oder irgendwelche Ausflüchte wählt, dann werden wir hart durchgreifen".
Follow-Up Zwangsarbeit: Im letzten News Update (KW 38), berichteten wir über die veröffentlichten Pläne der Europäischen Kommission für ein europäisches Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden. Über 70 zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften fordern nun eine Nachschärfung des Vorschlags und nennen die folgenden Schlüsselbereiche: Rechtsschutz für Arbeiter*innen, Due Diligence (Unternehmen dürfen sich nicht hinter Verhaltenskodizes, Sozialaudits und anderen Vertragsklauseln verstecken), Sanktionen (neben einem Verbot gibt es keine weiteren möglichen Sanktionen, sodass Produkte während des langen Prozesses der Prüfung erhältlich bleiben), systemische Fragen werden außer Acht gelassen (doch Zwangsarbeit ist oft systembedingt), fehlende Transparenz in den Lieferketten.
Lage der Wirtschaft
Inflation und Rezession: Im September stieg die Inflationsrate in Deutschland auf 10%. Die Preise für Bekleidung und Schuhe stiegen vergleichsweise moderat: Sie erhöhten sich gegenüber dem Vormonat um 4,7%. Führende Wirtschaftsinstitute rechnen mit einer Rezession in Deutschland (Herbstgutachten). Demzufolge dürfte das BIP Ende 2022 um 0,6% sinken. Falls es zu einer Gasmangellage kommen sollte, droht sogar ein Konjunktureinbruch von 7,9%. Die steigenden Energiekosten haben starke Auswirkungen auf die energieintensiven Lieferketten in der Bekleidungsbranche. Die Energiekosten machten laut Carlo Capasa, Leiter des italienischen Modeverbands, früher etwa 10% des Endprodukts aus, heute aber mindestens 30%. Bekleidungshersteller*innen könnten aber ihre gestiegenen Kosten für Energie oft nicht unbegrenzt an die Kund*innen weitergeben. „Als mittelständische Textil- und Modeindustrie sehen wir dem Winter mit großer Sorge entgegen”, sagte Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie. Ein wirtschaftlicher Abwehrschirm der Bundesregierung soll die steigenden Energiekosten und die schwersten Folgen für Verbraucher*innen sowie Unternehmen abfedern. Das Entlastungspaket steht in der Kritik, da vor allem Gutverdienende profitieren. Kritik kommt ebenfalls aus der EU, da deutsche Unternehmen Vorteile gegenüber Konkurrent*innen aus anderen Ländern hätten.
Konsumlaune: Der Negativtrend bei der Verbraucherstimmung hält im Oktober an. Das Konsumbarometer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) geht den dritten Monat in Folge zurück und erreicht erneut ein Allzeittief (84,14 Punkte). Es ist zu erwarten, dass sich der Pessimismus der Verbraucher*innen in den nächsten Monaten negativ auf den privaten Konsum auswirken wird. Auch der Onlinehandel leidet unter der schlechten Konsumstimmung. Zwischen Juni und September lagen die Umsätze im E-Commerce mit 19,8 Mrd. Euro um 10,8% unter dem Vorjahresniveau. Der Textilhandel in Deutschland macht jedoch im Moment trotz der gesunkenen Konsumlaune gute Geschäfte mit wärmender Unterwäsche, Socken, Hand- und Hausschuhen sowie warmen Decken, Pullovern und Jacken. Angesichts der steigenden Energiepreise und der hohen Inflation schränken sich laut des HDE bereits 60% der Verbraucher*innen beim Einkaufen ein. Für die kommenden Monate richten sich sogar 76% der Befragten darauf ein, sparsamer einzukaufen. Im Einzelhandel trifft es besonders den Bereich Mode und Bekleidung. Hier planen knapp drei Viertel der Befragten mit Einsparungen. Die Bereitschaft der Verbraucher*innen, für nachhaltige Produkte mehr Geld auszugeben als für vergleichbare konventionelle Konsumgüter, ist im Jahresverlauf deutlich gesunken. Akzeptierten 2021 im Schnitt 67% der Befragten Mehrkosten für Nachhaltigkeit, hat sich dieser Anteil ein Jahr später mehr als halbiert und liegt jetzt bei nur noch 30%.
Produktionsländer
Indien:
1. Im Bericht "Maximale Ausbeutung" (PDF) untersucht die Rosa Luxemburg Stiftung die fatalen Auswirkungen der Pandemie auf die indische Bekleidungsindustrie und geht der Frage nach, ob die Lockerungen der Corona-Maßnahmen mit einer Verschärfung der arbeits- und menschenrechtlichen Situation in der indischen Bekleidungsindustrie einhergehen und welche Gegenstrategien den Arbeiter*innen zur Verfügung stehen.
2. Eine 19-jährige Bekleidungsarbeiterin aus Ludhiana wurde von ihrem Kollegen vergewaltigt. Sie erstattete Anzeige, nachdem der Vergewaltiger anzügliche Bilder und Videos nach der Tat ins Internet stellte. Es wird nach ihm gefahndet, um ihn zu verhaften.
Kambodscha:
1. Seit September '20 führt das ReFashion-Projekt eine Längsschnittstudie durch, um die Erfahrungen von über 200 Näher*innen in Kambodscha während der Pandemie zu verfolgen und zu dokumentieren. In der Studie "Building Forward Worse - How COVID-19 has accelerated the race to the bottom in the global garment industry" (PDF) wird u.a. den folgenden Fragen nachgegangen: Welche Gefahren birgt die COVID-19-Pandemie für den Lebensunterhalt von Bekleidungsarbeiter*innen und ihren Familien? Welchen Beitrag leistet der formelle und informelle Sozialschutz zu den unterschiedlichen Risiko- und Resilienzerfahrungen der Arbeiter*innen während der Krise? Welche Lehren können wir für andere Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen ziehen, um den Sozialschutz für die Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie weltweit zu stärken? Im Interview mit dem Spiegel spricht Autorin Lawreniuk über Umsetzung und Ergebnisse der Studie.
2. Immer wieder kommt es zu Unfällen von Textilarbeiter*innen auf dem Weg zur Fabrik (siehe News Update KW 27 aus '22 und KW 38 aus '21). Viele Trucks transportieren zu viele Arbeiter*innen und werden von unerfahrenen Fahrern gefahren. Nike und die ILO haben deswegen eine gemeinsame Initiative zur Verringerung von Verletzungen und Todesfällen bei Verkehrsunfällen unter Bekleidungs- und Schuharbeiter*innen gestartet. Das neue Projekt soll herausfinden, warum Textilarbeiter*innen unverhältnismäßig stark von Verkehrsunfällen betroffen sind und Instrumente zur Verbesserung der Sicherheit anbieten.
Unternehmen im Textilbündnis
H&M meldet einen Quartalsgewinnrückgang um 88,7% (im 3. Quartal) unter dem Vorjahresniveau mit einem Nettoergebnis von 48 Mio. Euro). Das Ergebnis sei durch negative Sondereffekte wie der Abwicklung des Russlands-Geschäfts und zahlreiche externe Herausforderungen, wie gestiegene Rohstoff- und Frachtpreise, belastet worden. In den ersten Wochen des 4. Quartals wurde das Umsatzwachstum bereits wieder beschleunigt, auch der Umsatz des laufenden Geschäftsjahres übertrifft das Vorjahresniveau derzeit um 13%. Der ausgewiesene Nettogewinn sank um 30,7%.
Otto meldet einen Umsatzeinbruch in Deutschland von 13,5% im ersten Geschäftshalbjahr (März-August). Im Ausland - etwa in den USA - laufe das Geschäft aber gut. Dort gebe es ein Wachstum von mehr als 8%. Steigende Kosten werden angesichts der hohen Inflation nur zu einem kleinen Teil an die Kund*innen weitergegeben, daher sinke die Gewinnmarge.
Takko meldet ein Quartalsumsatzplus von 12% (im 2.Quartal) im Vergleich zum Vor-Pandemie-Niveau von 344 Mio. Euro. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) erreichte im Quartal eine Höhe von 59,1 Mio. Euro. CEO Tjeerd Jegen: "Angesichts der Inflation und des herausfordernden Marktumfelds sind wir zuversichtlich, dass wir die wachsende Nachfrage nach modischer und erschwinglicher Kleidung bei verschiedenen Zielgruppen mit unserer Qualitätsmode zu Discounterpreisen optimal bedienen können.
Kik expandiert nach Spanien und Portugal. Damit ist der zur Tengelmann-Gruppe gehörende Discounter nach eigenen Angaben künftig in 13 Auslandsmärkten vertreten.
Adler ist nun keine Aktiengesellschaft mehr und kehrt zurück zur Rechtsform der GmbH.