Aktuelles/Briefing Room

STUDIEN UND CO.

Ethical Trading Initiative "Where are the Women? - A study on the declining number of women workers in the Bangladesh RMG industry" (PDF): ETI Bangladesch und die GIZ haben mit Unterstützung des Informal Workplace-Based Dialogue Network (WBDN) und finanzieller Unterstützung des niederländischen Außenministeriums kürzlich die BRAC-Universität in Bangladesch beauftragt, den Rückgang der Anzahl von Frauen im Bekleidungssektor näher zu untersuchen. Die Daten zeigen, dass die Zahl der im RMG-Sektor in Bangladesch beschäftigten Frauen von 80% im Jahr 1980 (vor 43 Jahren!) auf heute etwa 54% zurückgegangen ist. Erhebungen in den Fabriken, Fokusgruppendiskussionen mit Arbeiterinnen und Interviews mit wichtigen Vertreter*innen aus der Branche zeichnen ein sehr beunruhigendes Bild. Auf die Frage, warum sie ihre scheinbar guten Arbeitsplätze aufgeben, nannten 27% der Frauen die Schwierigkeit, bezahlte Arbeit mit unbezahlter Care-Arbeit, insbesondere der Betreuung ihrer Kinder, zu vereinbaren. Dicht gefolgt von Berichten über die schwierigen Arbeitsbedingungen in diesem Sektor, mit Verweis auf Belästigungen, lange Arbeitszeiten und niedrige Löhne.

Homenet South Asia "Working from Home - The Decent Work Deficit of Homeworkers in Selected Cities in South Asia" (PDF): 92% der in Pakistan, Nepal und Indien befragten Heimarbeiter*innen gaben an, weniger als den örtlichen Mindestlohn zu verdienen. Die meisten haben zudem keinen Zugang zu grundlegenden Sozialleistungen wie Krankengeld, Rente und bezahltem Urlaub. Eine Heimarbeiterin aus Karatschi sagte "Fabrikarbeiter*innen haben Zugang zu modernen technologischen Nähmaschinen, pünktlichen Zahlungen, sozialer Sicherheit und Gesundheitsfürsorge, während wir niedrige Löhne erhalten und keine derartige Unterstützung haben". Dennoch ziehen viele die Heimarbeit der Fabrikarbeit vor, weil sie damit das für den Unterhalt ihrer Familien notwendige Einkommen erzielen und gleichzeitig die Flexibilität haben, Kinderbetreuung und andere häusliche Verpflichtungen zu erfüllen. Der Bericht empfiehlt den Marken, Heimarbeiter*innen in ihren Lieferketten anzuerkennen und eine Sorgfaltsprüfung in Bezug auf die Menschenrechte durchzuführen, indem sie mit Lieferanten und lokalen Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Ohne eine ausdrückliche Verpflichtung seitens der Markenkunden neigen südasiatische Zulieferer dazu, davon auszugehen, dass die Marken Heimarbeit innerhalb der Lieferketten verbieten, was dafür sorge, dass Heimarbeit im Verborgenen bleibt. Wenn Markenunternehmen ihre Zulieferer dabei unterstützen, die Transparenz und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, kann dies zu einem erheblichen Anstieg der Akkordlöhne von Heimarbeiter*innen führen, so die Befürworter*innen von Heimarbeiter*innen.

HotorCool Institute "Unfit, Unfair, Unfashionable - Resizing Fashion for a Fair Consumption Space" (PDF): Der Bericht vom Berliner Think Tank HotorCool zeigt auf, wie viele Kleidungsstücke eine durchschnittliche Person in einem G20-Land mit vier Jahreszeiten wirklich braucht: 85 (dazu gehören Mäntel und Schuhe, aber keine Unterwäsche und Accessoires). Die Zahl 85 liegt in einem Bereich, den das Institut als "fairen Konsumraum" bezeichnet, d.h. in einem Bereich, in dem das Konsumniveau unterhalb eines ökologisch nicht nachhaltigen Niveaus, aber oberhalb eines Suffizienzniveaus liegt, das es der*dem Einzelnen ermöglicht, ihre*seine Grundbedürfnisse zu erfüllen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die durchschnittliche Person Arbeitskleidung, Haushaltskleidung, Sportkleidung, Kleidung für festliche Anlässe und Outdoor-Bekleidung benötigt und alle 85 Artikel auch tatsächlich benutzt werden. Außerdem muss der CO2-Fußabdruck reduziert werden, indem übermäßiges Waschen und Impulskäufe vermieden und die Lebensdauer der Kleidungsstücke durch Ausbessern, Gebrauchtkauf oder Tausch verlängert werden.

NEWS

GOTS: Der Global Organic Textile Standard gibt die Freigabe der GOTS-Version 7.0 bekannt. Während des regulären einjährigen Überarbeitungsprozesses trugen internationale Interessengruppen mit Fachwissen in den Bereichen ökologische Produktion, Textilverarbeitung, Textilchemie, Menschenrechte und soziale Kriterien sowie Vertreter*innen der Industrie, von NGOs und der Zivilgesellschaft in mehreren Konsultationsrunden zur neuen Version bei. GOTS 7.0 enthält neue Anforderungen zur Durchführung einer risikobasierten Sorgfaltsprüfung der eigenen Betriebe und der Lieferketten der zertifizierten Unternehmen auf der Grundlage der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und der OECD-Leitlinien. GOTS 7.0 lässt nun auch recycelte Biofasern als zusätzliche Materialien zu. Wichtige Anforderungen wie der Anteil an zertifizierten Bio-Fasern, ein generelles Verbot von giftigen und schädlichen Chemikalien wie PFAS, Beschränkungen für konventionelle Baumwolle und reines Polyester sowie ein soziales Compliance-Management wurden in der neuen Version beibehalten. Der Abschnitt über die sozialen Kriterien wurde grundlegend überarbeitet, um einen breiteren, auf die Menschenrechte ausgerichteten Ansatz einzubeziehen. Die GOTS-Menschenrechts- und Sozialkriterien verlangen von den zertifizierten Unternehmen die Einhaltung international anerkannter Menschenrechtsprotokolle, einschließlich der International Bill of Human Rights und anderer internationaler Menschenrechtsverträge. Die Kriterien in Bezug auf Diskriminierung, Gewalt und Belästigung wurden überarbeitet, um sie umfassender zu gestalten und das Übereinkommen der ILO über Gewalt und Belästigung (C190) einzubeziehen. Die zertifizierten Unternehmen sind zudem nun verpflichtet, einen Plan zur Deckung des existenzsichernden Lohns zu entwickeln.

EU-Lieferkettengesetz: Im Vorfeld des Internationalen Frauentags wandten sich über 140 Organisationen, darunter FEMNET, in einem offenen Brief an die EU-Kommission, Abgeordnete sowie den EU-Rat. Sie fordern Geschlechtergerechtigkeit in den von der EU-Kommission veröffentlichten Richtlinien zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht im Bereich Nachhaltigkeit (CSDDD) zu berücksichtigen. Angesichts der bevorstehenden Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat über ein EU-Lieferkettengesetz, ist es laut der Organisationen von entscheidender Bedeutung die Richtlinien effektiv und geschlechtergerecht zu gestalten. Bereits vergangenes Jahr äußerten über 80 Organisationen ihre große Enttäuschung über das Fehlen einer Geschlechterperspektive in den Richtlinien der EU-Kommission. Doch auch der allgemeine Ansatz des Rates geht nicht auf die Geschlechterfrage ein. Im Gegenteil: Er schränkt die Rechte der Frauen weiter ein und hat sogar das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) aus dem Geltungsbereich der Richtlinien gestrichen. Als einer der größten Handelsmächte hat die EU die Möglichkeit und die Verantwortung, ihr Engagement für die Menschenrechte unter Beweis zu stellen und mit diesen Richtlinien das Leben vieler Menschen, insbesondere von Frauen, positiv zu beeinflussen.

PRODUKTIONSLÄNDER

Thailand: Im News Update der KW 2 berichteten wir über schwere Fälle von Ausbeutung in Fabriken der britischen Supermarktkette Tesco. Die thailändische Polizei hat nun gegen eine Bekleidungsfabrik, die von Tesco für die Herstellung von Kleidung der Marke F&F genutzt wurde, Strafanzeige wegen der Behandlung von Arbeiter*innen erstattet. Die Fabrik VK Garment Factory (VKG) in Mae Sot wird wegen Betrugs, illegaler Verwendung der Bankkarten der Arbeiter*innen, Vorenthaltung ihrer Einwanderungspapiere und Erzwingung von Überstunden angeklagt. Die Anklagen markieren einen grundlegenden Kurswechsel der thailändischen Polizei, nachdem der Guardian berichtet hatte, dass die Beamten zunächst einen Tag brauchten, um in der als "Scheinuntersuchung" bezeichneten Untersuchung festzustellen, dass keine Gesetze gebrochen wurden. Weniger als einen Monat nach Veröffentlichung des Artikels hat die Polizei 52 Arbeiter*innen erneut befragt und nun Anklage erhoben. Tesco sieht sich im Vereinigten Königreich mit einer bahnbrechenden Klage von 130 ehemaligen VKG-Mitarbeiter*innen konfrontiert, die Tesco wegen Fahrlässigkeit und ungerechtfertigter Bereicherung verklagen. Zu den Kläger*innen gehört auch ein siebenjähriges Mädchen, das auf dem Fabrikgelände vergewaltigt wurde, während ihre Mutter nachts an der Herstellung von F&F-Kleidung arbeitete.

Bangladesch:
1. Drei Männer starben bei der Reinigung der Klärgrube der Fabrik Fashion BD Limited in Ashulia (Dhaka).
2. Auf dem Bangladesh Business Summit 2023 forderten die Vertreter*innen der Bekleidungsindustrie Bangladeschs die Einkäufer*innen von Modeartikeln auf, angesichts der Qualität und Produktvielfalt, die das Land heute zu bieten hat, fairere Preise anzubieten. Der Präsident der Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA), Faruque Hassan sagt "Dank beispielhafter Fortschritte in den Bereichen Sicherheit am Arbeitsplatz und ökologische Nachhaltigkeit hat sich Bangladesch bei globalen Einkäufer*innen als bevorzugte Beschaffungsquelle für Bekleidung etabliert." Er erläuterte, dass die Bekleidungsfabriken in Bangladesch enorme Investitionen in die Verbesserung der Sicherheit getätigt haben und gleichzeitig immer mehr Geld investieren, um die Produktion nachhaltig zu gestalten. Doch würden internationale Marken den Bekleidungslieferanten in Bangladesch durchweg niedrigere Preise zahlen als der weltweite Durchschnitt.

Indien: Der Generalsekretär des Indischen Gewerkschaftsbundes (CITU), Tapan Kumar Sen, hat den Gouverneur von Karnataka, Vajubhai Vala, schriftlich aufgefordert, der von der Parlamentsversammlung von Karnataka verabschiedeten Änderung des Fabrikgesetzes nicht zuzustimmen. Im Falle ihrer Verabschiedung würden die neuen Änderungen sechs Abschnitte des Fabrikgesetzes von 1948 verändern. Die Höchstarbeitszeit wurde auf 12 Stunden pro Tag und bis zu 48 Stunden pro Woche angehoben. Die Arbeiter*innen können bis zu 6 Stunden ohne Pause arbeiten. Außerdem soll auch die Obergrenze für Überstunden von 75 auf 145 Stunden innerhalb eines Dreimonatszeitraums angehoben werden. Das ursprüngliche Gesetz verbot die Beschäftigung von Frauen in Fabriken zwischen 19.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens, die neuen Änderungen würden dieses Verbot aufheben. Im Schreiben wird argumentiert, dass die Verpflichtung zur Nachtschicht Frauen davon abhalten könnte, in Fabriken zu arbeiten. Die (von der BJP geführte) Regierung des Bundesstaates Karnataka hatte zuvor versucht, die Arbeitszeit während der Pandemie auf 10 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche zu erhöhen. Dies wurde von Gewerkschaften und Arbeitnehmern verhindert. 

UNTERNEHMEN IM TEXTILBÜNDNIS

Esprit schreibt wieder Verluste: Der Verlust im Geschäftsjahr 2022 könnte sich auf bis zu 700 Mio. Hongkong-Dollar (83,7 Mio. Euro) belaufen. Im Geschäftsjahr '21 wurde noch ein Gewinn von etwa 381 Mio Hongkong-Dollar (45,6 Mio. Euro) verzeichnet, das erste Mal seit fünf Jahren. Auslöser waren laut des Unternehmens der Ukraine-Krieg, steigende Zinsen und Energiekosten, die Menschen in Europa bei ihren Bekleidungskäufen zurückhaltender werden ließen. Hinzu kamen noch höhere Logistik-Kosten. Ende Februar stellte Esprit noch seine neue Strategie vor, zu einer globalen Präsenz mit Fokus auf die Regionen Nordamerika und Asien-Pazifik zurückzukehren. Man wolle sich zudem auf eine verbesserte Qualität und die Steigerung des Markenwertes konzentrieren.