Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

Changing Markets Foundation, Zero Waste Alliance Ukraine & STAND.earth "Dressed to kill - Fashion brands' hidden links to Russian oil in a time of war" (PDF): Die Untersuchung zeigt, dass die Versuche von Ländern, finanziell schädliche Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Putin zu verhängen, von der Modeindustrie unterlaufen werden. Der Bericht listet 39 globale Marken auf, die Polyester von zwei der weltweit größten Polyesterhersteller, dem indischen Unternehmen Reliance Industries und der chinesischen Hengli Group, beziehen. Mehrere Marken sind über ihre Lieferketten mit Reliance und Hengli verbunden, darunter die Textilbündnis-Unternehemen Adidas, Aldi, C&A, Esprit (sogar direkte Verbindungen), H&M, Hugo Boss, Primark und Puma. Während des russischen Einmarsches in der Ukraine hat Reliance seine Ölkäufe aus Russland um das Zwölffache erhöht: Auf 829,4 Mio. € pro Monat, was Russland zu seinem größten Öllieferanten macht. Reliance ist einer der weltweit größten integrierten Hersteller von Polyesterfasern und -garnen und befindet sich im Besitz des zweitreichsten Mannes in Indien. Im nordindischen Gujarat befindet sich das größte Ölraffineriezentrum der Welt, in dem viele Arbeiter*innen nur ein paar Dollar pro Tag erhalten. Das Unternehmen sieht sich zahlreichen Vorwürfen von Korruption, Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Es gibt Hinweise darauf, dass ein anderer wichtiger Polyesterlieferant, die chinesische Hengli-Gruppe, ebenfalls russisches Öl für die Herstellung von Produkten auf Polyesterbasis kauft. Bis Mai 2022 waren Chinas Einfuhren von russischem Öl im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent gestiegen, und Hengli hat in den letzten Monaten bekanntlich verbilligtes Rohöl aus Russland bezogen (YouTube Video "Are your clothes funding the war in Ukraine?").

Human Rights Watch "Obsessed with Audit Tools, Missing the Goal’: Why Social Audits Can’t Fix Labor Rights Abuses in Global Supply Chains": Der Bericht beleuchtet die Probleme mit Social Audits und Zertifizierungen für Lieferanten. Social Audits, die nur wenige Tage dauern, bergen ebenso wie die daraus resultierenden Zertifizierungen ein größeres Risiko dafür, dass Arbeitsrechtsverstöße, insbesondere Diskriminierung und Belästigung, Zwangsarbeit, Kinderarbeit sowie Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit, unentdeckt bleiben. Der hohe Druck, die Kosten zu senken, beschneide zudem die Zeit, die Auditor*innen zur Verfügung steht, um Mitarbeiter*innen außerhalb des Unternehmens in sicheren Umgebungen zu befragen und Nachforschungen anzustellen, Hinweisen nachzugehen und Beweise für Verstöße gegen Arbeitsrechte zu sammeln. Wenn Audit-Unternehmen nicht von den Marken selbst, sondern von Lieferant*innen bezahlt und beauftragt werden, kommt es vor, dass Auditor*innen aufgefordert werden, Feststellungen zu streichen oder schwerwiegendere Verstöße mündlich oder separat in E-Mails zu kommunizieren, sie aber im Audit-Bericht selbst unerwähnt zu lassen. Mehrere Auditor*innen erklärten, dass zahlreiche Beratungsfirmen in unterschiedlichen Ländern dazu beitragen, das Social Audit-System zu „manipulieren“, indem sie Fabriken bei der „Vorbereitung“ auf das eigentliche Audit unterstützen. Dazu schulen sie Mitarbeiter*innen und Management hinsichtlich der Beantwortung von Fragen und unterstützen sie bei der Erstellung gefälschter Unterlagen.

Baptist World Aid Australia "Ethical Fashion Guide": Es wurden 581 Marken untersucht und in einem Punktesystem von 0-100 eingeordnet. Zu den Bewertungskriterien gehören: Rückverfolgung von Rohstoffen, Zahlung von Existenzlöhnen, Arbeiter*innen konsultieren, Ausbeutung beseitigen, Verwendung nachhaltiger Fasern und Klimaverpflichtungen. In den Top 20% befinden sich Unternehmen mit einer Bewertung von 48 bis 86 Punkten. Auch die Textilbündnis-Unternehmen Puma (58), Adidas (58), H&M (56), Hugo Boss (51), und Aldi (43) wurden bewertet.

News

Black Friday: Handelsexpert*innen sind sich uneinig, ob der Black Friday (25.11.) an die Erfolge des letzten Jahres anknüpfen kann. Im vergangenen Jahr gaben die Verbraucher*innen an dem wichtigen Verkaufstag (und dem folgenden Cyber Monday) nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) fast fünf Mrd. Euro aus. Der HDE rechnet mit einem einem Umsatzrekord von 5,7 Milliarden Euro (+22%), andere Expert*innen sind jedoch aufgrund der anhaltenden Inflation skeptisch. Laut der Unternehmensberatung PwC wollen trotz knapper Budgets gut zwei Drittel der Befragten rund um den Black Friday auf Schnäppchenjagd gehen - so viele wie im Vorjahr. Ihr Einkaufsverhalten habe sich jedoch verändert. Knapp 40% wollen nur das kaufen, was sie benötigen. Jede*r Fünfte will aufgrund der Umstände weniger kaufen. Einer weiteren Studie zufolge, wollen Verbraucher*innen nur gezielt Produkte kaufen, die ohnehin als Anschaffung geplant waren. Der HDE rechnet ebenfalls mit einem "weitgehend stabilem" Weihnachtsgeschäft, auch aufgrund einer leicht verbesserten Verbaucher*innenstimmung im November. Studien ergeben jedoch, dass fast drei Viertel der Menschen sich Sorgen wegen einer möglichen Rezession machen, ihr Kaufverhalten anpassen und Abstriche bei ihrem Lebensstandard machen. Laut einer Studie von YouGov wollen mehr als die Hälfte der Verbraucher*innen weniger für Geschenke ausgeben oder ganz auf sie verzichten

Aktualisierung der ZDHC MRSL: Die Manufacturing Restricted Substances List (MRSL) wurde um weitere schädliche chemische Substanzen, deren Verwendung eingeschränkt werden muss, erweitert. Dazu gehören auch PFAS-Behandlungen, die für Textilien, Leder und Schuhe verwendet werden. Auch bluesign hatte im Juli PFAS-veredelte Textilien aus dem Leitfaden genommen (siehe News Update der KW 30). Auch in der von der EU Ende April veröffentlichten "Restrictions Roadmap under the Chemicals Strategy for Sustainability"wurden PFAS aufgenommen (siehe News Update der KW 19).

Altkleider: Im News Update der KW 37 '21 berichteten wir über die Auswirkungen von Kleiderspenden auf Menschen und Umwelt in Ghana; im News Update der KW 45 '21 über die Umweltverschmutzung durch Altkleider in Chile. Auch Kenia kämpft mit der steigenden Menge an Altkleidern aus dem globalen Norden. Einerseits ist der Gikomba-Markt in Nairobi Drehscheibe für Second Hand Kleidung und Quelle des Handels, die der lokalen Wirtschaft zugute kommt und es Menschen ermöglicht, ein Einkommen zu erzielen. Andererseits schafft die schiere Menge an minderwertigen Textilien nach Ansicht einiger Gruppen ein großes Abfallproblem - ca. 30% seien "reiner Müll". Was die Händler*innen auf dem Gikomba-Markt nicht verkaufen können, wird verbrannt oder auf Müllhalden abgeladen. Organisationen wie Africa Collect Textiles suchen neue Verwendungsmöglichkeiten für gebrauchte Textilien, und recycelt Textilabfälle zu Teppichen, Taschen und weiteren Produkten. Der Mitbegründer des Unternehmens, Alex Musembi, spricht sich für eine erweiterte Herstellerverantwortung aus, durch die westlichen Unternehmen verpflichtet werden, Organisationen, die das Abfallproblem lösen, finanziell zu unterstützen. 

Produktionsländer

Bangladesch: Jeans-Fabrik-Besitzer Mostafiz Uddin gibt eine Einschätzung zur derzeitigen Lage der bangladeschischen Bekleidungsindustrie. Seiner Meinung nach ist die Situation für die Industrie in mancher Hinsicht schlimmer als während der Pandemie in 2020. Während die Hersteller*innen während der Pandemie "Licht am Ende des Tunnels sahen", seien sie nun, aufgrund der wieder ausbleibenden Aufträge, weniger optimistisch. Ein damit zusammenhängender Trend ist die Bitte an RMG-Hersteller, ihre Waren zurückzuhalten - die Modehändler verzögern die Lieferung. Einige Hersteller seien zu einer Erweiterung der Lager von Modemarken geworden - ein Trend, den man auch in den ersten Monaten der Pandemie beobachten konnte. Dadurch entsteht Druck auf die Hersteller, während die Produktionslinien stillstehen. Zudem forderten die Marken Rabtte, doch auch die Hersteller seien von steigenden Kosten und Schwankungen der Wechselkurse betroffen. Er mache sich Sorgen, dass die Welt in eine langwierige Rezession geraten könnte, in der die Abnehmer ihre Lieferanten nicht mehr unterstützen wollen oder können. Dies hätte unvorhersehbare Auswirkungen auf die Fabriken in den Produktionsländern. Auch der Vizepräsident des Verbandes BGMEA sieht die Industrie in einer schwierigen Lage: Die Produktion der Fabriken sei um 50% zurückgegangen.

Indien: Bei einem Brand in einer Schuhfabrik in dem Industriegebiet Narela starben drei Arbeiter*innen, 17 wurden verletzt. Der Fabrikbesitzer wurde u.a. der fahrlässigen Tötung angeklagt, ist jedoch flüchtig. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Fabrik keine gültige Genehmigung hatte. Der Brand wurde wahrscheinlich durch einen Kurzschluss und einer darauf folgenden Explosion ausgelöst. Zudem gab es in der Fabrik keine Ausrüstung zur Brandbekämpfung und nicht ausreichend Notausgänge.