Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

Changing Markets Foundation "Licence to Greenwash - How Certification Schemes and Voluntary Initiatives are Fulling Fossil Fashion": Die Studie hat zehn Zertifizierungslabels und Brancheninitiativen analysiert, die von Modemarken zur Bewertung oder Messung ihrer Nachhaltigkeit verwendet werden, und untersucht, ob diese Systeme geeignet sind, die Schäden der modernen Modeindustrie zu bekämpfen. Der Bericht untersuchte unter anderem die Ellen MacArthur Foundation, The Textile Exchange, WRAP, Cradle2Cradle und den Higg Index der Sustainable Apparel Coalition (SAC). Die Analyse ergab, dass alle zehn Zertifizierungssysteme keine ausreichend hohen Standards einhalten, dass es allen an Rechenschaftspflicht mangelt und dass alle Fortschritte zur Kreislaufwirtschaft verzögern, unter anderem durch Festhalten an Überproduktion, der Zunahme von Fast Fashion und der Abhängigkeit der Industrie von fossilen Brennstoffen.

European Environmental Bureau "Wellbeing Wardrobe: A wellbeing economy for the fashion and textile sector" (PDF): Der Bericht besagt, dass nur ein radikales Überdenken des Wirtschaftsmodells das Nachhaltigkeitsproblem der Modeindustrie in den Griff bekommen kann. Die vom Institute for Sustainable Futures an der University of Technology Sydney geleitete Forschungsarbeit plädiert dafür, die Mode statt auf Wachstum auf ein System umzustellen, in dem die menschliche und ökologische Gesundheit an erster Stelle steht. Unter Verwendung des Konzepts der "wellbeing economy" - ein Oberbegriff für wachstumsalternative Wirtschaftskonzepte - wurden in der Studie vier Leitprinzipien für die Entwicklung einer Postwachstumsstrategie für den Modesektor ermittelt, die im Interesse des Gemeinwohls arbeitet: 1. Festlegung von Grenzen, um die Menge der produzierten und konsumierten Güter im Einklang mit den planetarischen Grenzen zu reduzieren, 2. Förderung der Fairness, um weltweit soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten, 3. Schaffung einer gesunden und gerechten Governance, um sicherzustellen, dass der Übergang integrativ und partizipatorisch ist, 4. Einführung neuer Tauschsysteme, bei denen Kleidung und Textilien auf eine Weise bereitgestellt werden, die nicht von Überproduktion und Überkonsum abhängt.

News

Transparenz: Seit dem Start im Jahr 2019 konzentriert sich das Open Apparel Registry auf die Sammlung, Standardisierung und Veröffentlichung von Namens- und Adressdaten von Bekleidungsbetrieben weltweit. Nun wurden fünf Datenpunkte ausgewählt, die in das Open Apparel Registry aufgenommen werden sollen: Anzahl der Beschäftigten, Muttergesellschaft, Art des Produkts, Art der Einrichtung, Art der Verarbeitung. 

Entwicklungen auf EU-Ebene:

Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU: Das EU Parlament hat die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen präzisiert, lässt dabei aber alle KMU aus dem verbindlichen Rahmen aus, kritisiert ein Artikel vom Business & Human Rights Resource Center. Darüber hinaus wird die EU-Kommission in einem neuen Artikel (7a) aufgefordert, eine Liste von Hochrisikosektoren zu erstellen. Die Einbeziehung von KMU in solche Hochrisikosektoren (ob börsennotiert oder nicht) unterliegt jedoch einer Bewertung, die erst vor Ende 2026 vorgelegt werden muss. Positiv bewertet wird jedoch die Aufname der weiteren Spezifizierung der Offenlegung von Nachhaltigkeitszielen und Übergangsplänen im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen sowie r Leitlinien für die Entwicklung verbindlicher EU-Standards zu Klimafragen.

EU Lieferkettengesetz: Drei namhafte Juristen mit Verbindungen zu internationalen Gewerkschaftsverbänden und Arbeitsrechtsorganisationen (Jeffrey Vogt, Ruwan Subasinghe, Paapa Danquah) bezeichnen das EU-Lieferkettengesetz als eine verpasste Chance, die Arbeitnehmer*innenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Obwohl der Gesetzesvorschlag ein wichtiger Schritt sei, enthalte er dennoch mehrere schwerwiegende Mängel - viele davon seien erhebliche Abweichungen von Säule II der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) - der Verantwortung von Unternehmen, Menschenrechte zu achten. Die Autoren gehen auf sämtliche Artikel des Entwurfs ein und stellen diese den UNGPs gegenüber.

EU Textile Strategy: Am Mittwoch veröffentlichte die Europäische Kommission die "EU strategy for sustainable and circular textiles". Die neue Strategie soll Textilien haltbarer, reparierbarer, wiederverwendbar und recycelbar machen, um gegen Fast Fashion, Textilabfälle und die Vernichtung unverkaufter Textilien vorzugehen und um sicherzustellen, dass bei ihrer Herstellung die sozialen Rechte uneingeschränkt geachtet werden. Zu den spezifischen Maßnahmen gehören Ökodesign-Anforderungen für Textilien, klarere Informationen, ein digitaler Produktpass und ein obligatorisches EU-System der erweiterten Herstellerverantwortung. Um gegen Fast Fashion vorzugehen, fordert die Strategie die Unternehmen auf, die Zahl der jährlichen Kollektionen zu verringern, Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Kohlenstoff- und Umweltfußabdruck zu minimieren. Mitgliedstaaten werden aufgefordert, günstige Steuermaßnahmen für den Wiederverwendungs- und Reparatursektor zu erlassen. Die Zivilgesellschaft (Clean Clothes Campaign, Fair Trade Advocacy Office, Fashion Revolution, Environmental Coalition on Standards, European Environmental Bureau, IndustriAll European Trade Union, Re-use and Recycling European Union Social Enterprises, Solidaridad, Traidcraft Exchange) bemängelt, dass die Strategie grüne Ambitionen enthalte, jedoch die Arbeitnehmer*innen vergesse (PDF). 

Produktionsländer

Myanmar: Der Verwaltungsrat der ILO hat beschlossen, eine Untersuchungskommission zur Nichteinhaltung der internationalen Arbeitsnormen in Myanmar nach dem Militärputsch im Februar 2021 einzusetzen. Die Untersuchungskommission wird die Nichteinhaltung des Übereinkommens über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948 (Nr. 87) und des Übereinkommens über Zwangsarbeit, 1930 (Nr. 29) untersuchen. Fortify Rights und das Orville H. Schell, Jr. Center for International Human Rights der Yale Law School veröffentlichten die Studie "Nowhere is Safe - The Myanmar Junta's Crimes Against Humanity Following the Coup d'État" (PDF) in der die Menschenrechtsverletzungen des Militärs (u.a. Mord, Inhaftierungen, Folter) dokumentiert werden. Der 193-seitige Bericht identifiziert 61 Täter und deckt 1.040 Militärstandorte auf. Das Leben für die Bevölkerung wird wegen der steigenden Lebensmittelpreise und regelmässigen Strom- und Wasserknappheit immer schwieriger. Mitte März führte die Junta geplante Unterbrechungen der Stromversorgung aus, um den Druck vom überlasteten Stromnetz des Landes zu nehmen (die Junta machte dafür die gestiegenen Gaspreise und Angriffe auf die Infrastruktur durch paramilitärische Gruppen der Volksverteidigungskräfte, die gegen die Junta kämpfen, verantwortlich). Ein Dorfbewohner im Bundesstaat Mon sagt, dass in der Region täglich der Strom ausfalle und die Menschen zunehmend gezwungen seien, Wasser aus Brunnen zu holen. Daw Myo Myo Aye, Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes United Confederation of Trade Unions, sagte, dass einige Bekleidungsfabriken im März aufgrund von Stromausfällen komplett geschlossen wurden.

Ukraine: Gemäß den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) sollten Unternehmen in bewaffneten Konflikten eine verstärkte menschenrechtliche Sorgfaltspflicht anwenden, um erhöhte Risiken zu erkennen, zu vermeiden und zu mindern und einen konfliktsensiblen Ansatz zu verfolgen. Aus diesem Grund hat das Business & Human Rights Resource Center 208 Unternehmen, die in der Ukraine und/oder Russland tätig sind oder dort investieren, gebeten, Fragen zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte zu beantworten. Bisher haben 65 Unternehmen geantwortet (31%), nur 19 Unternehmen beantworteten die Fragen zu ihrer Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Menschenrechte als Reaktion auf die russische Invasion vollständig oder teilweise. 33 Unternehmen übermittelten allgemeine Erklärungen. 13 Unternehmen baten entweder um eine Verlängerung oder erklärten, sie arbeiteten an Antworten auf den Fragebogen. Zu den Unternehmen die bereits geantwortet haben gehören auch Adidas, H&M und Nike, die aber lediglich mit allgemeinen Erklärungen geantwortet haben. Das von der ukrainischen Regierung vorgeschlagene neue Gesetz zur Deregulierung der Arbeitsrechte, das sie als Teil der gemeinsamen Bemühungen zur Abwehr der russischen Invasion betrachtet, hat die Regierung in Konflikt mit den Gewerkschaften des Landes gebracht. Es besteht die Befürchtung, dass das neue Gesetz, das bereits vom Parlament gebilligt wurde, aber noch von Präsident Wolodymyr Zelenskij unterzeichnet werden muss, auch nach Beendigung des Krieges fortbestehen und zu weiteren ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in der Ukraine führen könnte. Das neue Gesetz beschneidet die Rechte der Arbeitnehmer*innen (in Bezug auf Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen, Entlassung und Entschädigung nach einer Entlassung) erheblich und stärkt die Macht der Arbeitgeber*innen über ihre Beschäftigten.

Bangladesch: Im südlichen Dhaka wurden drei Männer festgenommen, denen vorgeworfen wird, eine Textilarbeiterin vergewaltigt zu haben. Einer der Männer arbeitete mit der Textilarbeiterin gemeinsam in einer Fabrik, bis er entlassen wurde, da er die Textilarbeiterin bei der Arbeit sexuell belästigte. Zahlreiche alte und neue Bekleidungsfabriken streben eine Mitgliedschaft im RMG Sustainability Council (RSC) an. Der RSC führt die lokale Umsetzung des ACCORD in Bangladesch fort. Bei 39 Bekleidungsfabriken, die nun vom RSC begutachtet werden sollen, wurden Sicherheitsstandards bisher von keiner neutralen Plattform überprüft, was ein Kriterium für die Mitgliedschaft im RSC ist. Faruque Hassan, Präsident der BGMEA (Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association), spricht sich für eine Aufnahme der Fabriken aus, "damit ihr Sicherheitsstandard unter der Leitung der RSC verbessert werden kann". China Rahman, ein Vorstandsmitglied, das die Gewerkschaften im RSC vertritt, sagte, die Fabriken wollten dem RSC vor allem zu ihrem eigenen Vorteil beitreten. Durch die Aufnahme könnten die Fabriken höhere Preise verlangen und attraktiver für Marken werden und mehr Aufträge bekommen. Amirul Haque Amin, gewerkschaftlicher Ko-Vorsitzender des RSC, spricht sich dafür aus, dass die Regierung mehr Initiativen zur Verbesserung der Gesundheit der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie ergreifen solle. Gewerkschaften kritisieren derweil, dass das RSC zu langsam arbeite und zahlreiche Fabriken die vom ACCORD empfohlenen Abhilfemaßnahmen noch nicht umgesetzt haben.

Unternehmen im Textilbündnis

C&A: Etwa vor einem Jahr gab der Modehändler bekannt, eine Produktionsstätte für Denim in Mönchengladbach aufbauen zu wollen. Jetzt gibt es die ersten Produkte: Die erste Kollektion „Forever Denim“, die in der neuen Produktionsstätte C&A FIT (Factory for Innovation in Textiles) hergestellt wurde, ist online verfügbar.