Auswirkungen der COVID-19-Krise

Im Frühjahr 2020 häuften sich die Meldungen aus Indien, Bangladesch, Kambodscha und anderen Ländern, dass Bekleidungshändler und -marken aus den Zielmärkten wie Deutschland, Italien oder den USA ihre Aufträge stornierten und darauf drängten, dass bereits produzierte Ware nicht mehr ausgeliefert werde. Diese war die unmittelbare Reaktion der Bekleidungshändler und -marken auf den wegen der Corona-Pandemie verordneten Stillstand des öffentlichen Lebens, der zumindest zeitweise gravierende Umsatzeinbußen verursachte. Auftragsstornierungen und Zahlungsaufschübe der Händler und Marken hatten jedoch massive Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette. Besonders hart traf dies die Arbeiter*innen in den Produktionsländern.

In extremen Liquiditätsengpässen mussten die Zulieferer der hiesigen Händler und Marken die schon vor der Krise nicht existenzsichernd entlohnten Arbeiter*innen zumindest zeitweise entlassen, ohne dass diese auf ausreichende Ersparnisse oder soziale Sicherungssysteme hätten zurückfallen können. Viele Betriebe mussten vollständig schließen, oft ohne gesetzliche Abfindungen oder ausstehende Löhne an Arbeiter*innen zu zahlen. Seit Beginn der Krise steigt zudem der Preisdruck in der Lieferkette, der Zulieferer bei Krisen-bedingt unsicherer Auftragslage besonders unter Druck setzt und so Jobs und Einkommen für Arbeiter*innen noch unsicherer macht.

Textilarbeiter*innen sind Leidtragende

Für die Arbeiter*innen verbindet sich damit seit Beginn der Krise das Risiko einer COVID-19-Infektion mit dem verschärften Risiko extremer wirtschaftlicher Not. Zudem sind seit Beginn der Krise Gewerkschaften vermehrt Diskriminierung ausgesetzt. Einige Produktionsländer, insbesondere Indien und Indonesien setzen angesichts der Wirtschaftskrise auf eine Herabsetzung der Schutzstandards in ihren Arbeitsgesetzen.

Aktivitäten des Textilbündnisses

Das Bündnis für nachhaltige Textilien muss sich aus Sicht der Zivilgesellschaft gerade in der Krise beweisen (Pressemitteilung vom 02.04.2020). Es wurde gegründet, um soziale und ökologische Missstände in der Textil- und Bekleidungsproduktion gemeinsam zu bekämpfen. Die sozialen und ökologischen Bündnisziele gelten auch in Corona-Zeiten. Auch wenn die Pandemie viele Mitgliedsunternehmen vor Herausforderungen stellt, darf das Textilbündnis nicht in Untätigkeit verfallen (Pressemitteilung vom 03.07.2020). In Reaktion auf die Krise hat das Bündnis unter anderem „Leitsätze für verantwortungsvolle Einkaufspraktiken in Zeiten von Covid-19“ formuliert und beispielsweise den ILO Call to Action in the Garment Industry unterzeichnet. Hiermit ist eine Diskussion über Lehren aus der COVID-19-Krise für die Textilbündnisunternehmen im Bündnis zumindest angestoßen.

Synthese-Bericht mit Handlungsempfehlungen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht

Cover Synthesebericht 2020Der „Synthese-Bericht: Auswirkungen von COVID-19 auf die Textilindustrie“ (PDF-Datei) stellt auf Grundlage einer systematischen Analyse bestehender Berichte konkrete Handlungsoptionen und Best Practices zusammen. Die Handlungsoptionen zeigen, wie Unternehmen negative Auswirkungen der COVID-19-Krise auf Arbeiter*innen in der Lieferkette vermeiden oder zumindest mildern können und so menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen. Mit diesem Bericht will die Zivilgesellschaft im Textilbündnis die Diskussion über Lehren aus der COVID-19-Krise im Textilbündnis weiter anregen und zur Schärfung eines „neuen Normals“ in der textilen Lieferkette beitragen, in dem gute und transparente Geschäftsbeziehungen und nachhaltige Einkaufspraktiken dominieren.

Der von Dr. Christian Scheper (Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen) erstellte Bericht ist von den zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen im Steuerungskreis des Textilbündnisses gemeinsam herausgegeben und beruht auf Überlegungen der weiteren Zivilgesellschaft im Textilbündnis. Der Bericht wurde erstellt mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).