Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

IndustriALL Global Union "Investor brief: What is social protection and why should it matter to investors?" (PDF): IndustriALL und ihre Verbündeten setzen sich für einen globalen und durchsetzbaren Tarifvertrag zwischen Gewerkschaften, Einkäufer*innen und Zulieferer*innen über soziale Sicherheit ein. Das Ziel von IndustriALL ist es, eine Vereinbarung mit den Markenhersteller*innen über die Einrichtung eines Überbrückungsfonds für den Sozialschutz der Bekleidungsarbeiter*innen zu erreichen, bis die nationalen sozialen Sicherungssysteme in den Bekleidungsexportländern verbessert werden können. Soziale Sicherung sei ein entscheidender Faktor, um die Produktion in der Textil- und Bekleidungslieferkette gerechter zu gestalten, und kann auch dazu dienen, die Risiken für Unternehmen und Investoren zu mindern.

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz "Menschenrechte und unternehmerische Sorgfaltspflichten - Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)" (PDF): Der Beirat sieht die Gefahr, dass sich Unternehmen ganz aus problematischen Lieferländern zurückziehen könnten, wenn die Einhaltung der Sorgfaltspflichten hohe Kosten verursacht. Um dieser Gefahr zu begegnen, macht der Beirat Vorschläge zur Ausgestaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten. Laut Meinung des Beirats sollte in Ländern, in denen Menschen- und Arbeitnehmerrechte vom Staat effektiv durchgesetzt und Verletzungen vor unabhängigen Gerichten verhandelt werden können, auf ein präventives Risikomanagement verzichtet werden. Für Länder, deren Rechtssystem weniger verlässlich ist, sollte es Positiv- und Negativlisten für dort ansässige Firmen geben. Der Beirat argumentiert zudem, dass es anmaßend wäre, wenn die EU ihre Standards und Wertvorstellungen allen anderen Ländern vorschreiben würde. Transparenz über die Produktionsbedingungen im Ausland könne über Fair-Trade, Öko- und Tierwohlsiegel hergestellt werden. Weitergehende Nachhaltigkeitsziele sollten jedoch laut des Rates keinen Eingang in Lieferkettengesetze finden. Die Forscher*innen sehen auch einen möglichen Konflikt zwischen Wettbewerbsrecht und unter anderem im Lieferkettengesetz vorgesehenen Absprachen zwischen Unternehmen zur besseren Durchsetzung von Menschenrechten. Um nicht gegen Wettbewerbsrecht verstoßen, müsse das EU-Wettbewerbsrecht geändert werden. Die Empfehlungen des Beirats ignorieren damit aber weitgehend den Inhalt der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.

Public Eye "Blackbox Online Modehandel - Wie verantwortungsvoll und transparent sind Zalando, Shein & Co.?" (PDF): Für den Firmencheck hat Public Eye zehn der bekanntesten Onlinehändler in der Schweiz unter die Lupe genommen: About You, Alibaba, Amazon, Asos, Bonprix, Galaxus, La Redoute, Shein, Wish und Zalando. Die wichtigsten Ergebnisse: 6 von 10 machen zumindest keine konkreten Angaben zu den Herstellerbetrieben ihrer Eigenmarken transparent; keine Handelsplattform macht Lieferketten-Transparenz für Fremdmarken zum Kriterium für die Aufnahme in seine Shops; bei keinem onlinehändler fand Public Eye Hinweise, dass auch nur ein Teil der Textilarbeiter*innen einen existenzsichernden Lohn erhält; nur ein Unternehmen hat eine vage Verpflichtung zur Sicherstellung von Existenzlöhnen veröffentlicht (Asos).

News

H&M/Higg-Index: H&M hat von der norwegischen Verbraucherschutzbehörde (NCA) eine Warnung erhalten. Die Behörde möchte nicht, dass H&M Daten aus dem Higg-Index für Marketingzwecke verwendet, heißt es auf der NCA-Website. In einem Schreiben der NCA an H&M, das online veröffentlicht wurde, heißt es, dass die Verwendung der Daten als „irreführend“ und als „Verstoß“ gegen die nationalen Marketinggesetze angesehen werden kann. Am 1. September wird die NCA eine weitere Prüfung bei H&M durchführen. Wenn dann Verstöße gegen das Marketingrecht in Bezug auf Nachhaltigkeitsangaben festgestellt werden, können Sanktionen folgen, so die Behörde. Die Nutzung von Daten des Higg-Index der Sustainable Apparel Coalition (SAC) für die Kommunikation an Verbraucher*innen war von der SAC als großer Schritt zu mehr Transparenz gefeiert worden.

Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU: Die Trilog-Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Parlament und dem Rat mit einer Einigung über die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (EU Corporate Sustainability Reporting Directive) abgeschlossen: Die Regeln der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden durch verbindliche ESG-Standards verschärft. Die reformierten Regeln sollen die großen Probleme in Bezug auf die Qualität, Konsistenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen, die von Unternehmen im Rahmen der bestehenden EU-Gesetzgebung offengelegt werden, beseitigen. Die Alliance for Corporate Transparency begrüßt die neuen Vorgaben, kritisert jedoch u.a. den Ausschluss der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) und die verzögerte Umsetzung ab 2024/25.

EU-Handel: Die Europäische Kommission hat einen neuen Plan vorgestellt, wie der Beitrag der EU-Handelsabkommen zum Schutz des Klimas, der Umwelt und der Arbeitnehmerrechte weltweit verbessert werden soll. Wenn wichtige Arbeits- und Klimaverpflichtungen nicht eingehalten werden, werde man auf Sanktionen zurückgreifen. Die EU möchte die Einhaltung internationaler Arbeits- und Umweltstandards auch durch technische und finanzielle Unterstützung fördern. Das neue TSD-Konzept (Trade and Sustainable Development) beinhaltet auch die Unterstützung und stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft. Zudem wollen sie es der Zivilgesellschaft und den nationalen Beratungsgremien (DAGs) erleichtern, Beschwerden über Verstöße gegen die Nachhaltigkeitsverpflichtungen einzureichen.

ILO Kernarbeitsnormen: Die International Labour Conference nimmt Sicherheit und Gesundheit in die ILO-Kernarbeitsnormen auf. Der bahnbrechende Beschluss bedeutet, dass sich alle ILO-Mitgliedstaaten verpflichten, das Grundrecht auf eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung zu achten und zu fördern, unabhängig davon, ob sie die entsprechenden Übereinkommen ratifiziert haben oder nicht. Bislang gab es vier Kategorien von grundlegenden Prinzipien und Rechten bei der Arbeit: Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Tarifverhandlungen; die Abschaffung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, die Abschaffung der Kinderarbeit; die Beseitigung der Diskriminierung. Der Beschluss der Konferenz bedeutet, dass Sicherheit und Gesundheitsschutz die fünfte Kategorie werden.

Produktionsländer

Pakistan: Die Beschäftigten in der pakistanischen Provinz Sindh, einem wichtigen Zentrum der Bekleidungsproduktion, haben einen wichtigen Sieg errungen: Der Mindestlohn für ungelernte Arbeitskräfte wurde um 40% von 17.500 pakistanischen Rupien (PKR) auf 25.000 PKR (ca. 116 Euro) pro Monat erhöht und tritt rückwirkend zum 1. Juni in Kraft. Die Lohnerhöhung wurde erstmals am 9. Juli 2021 von der Provinzregierung von Sindh angekündigt, aber die Anordnung wurde aufgrund von Einsprüchen der Arbeitgeber*innen verzögert, da sie befürchteten, die erhöhten Kosten nicht decken zu können.

Indien: Die Asia Floor Wage Alliance veröffnetlicht einen Untersuchungsbericht über Arbeitsrechtsverletzungen in der Shahi-Fabrik in Kuppam, Andhra Pradesh. Bei Shahi arbeiten über 113.000 Arbeiter*innen in 50 Fabriken für Marken wie H&M und Primark. In den Interviews mit der AFWA beschweren sich die Arbeiter*innen über geringe Löhne, zu hohe Produktionsziele, dreckige Toiletten, Unfälle in der Fabrik, Beschimpfungen (auch kastenbezogen) und die Unterdrückung von Gewerkschaftsaktivitäten. Zudem wird ihnen das Sprechen zu Kolleg*innen verboten und das Recht auf Pausen verwehrt. Fast alle befragten Frauen geben an dass sie an Menstruationsbeschwerden leiden, seitdem sie bei Shahi arbeiten. Arbeiter*innen durften sich zudem nicht krank melden, wenn sie Nebenwirkungen aufgrund von COVID-19-Impfungen hatten.

Türkei: Das neue Länderprofil der Clean Clothes Campaign enthüllt: Der Mindestlohn finanziert nur ein Viertel der grundlegenden Lebenshaltungskosten. Trotz Erhöhungen des gesetzlichen Mindestlohnes von zuletzt 51% können Beschäftigte nur durch ständige Umschuldung und Zweitjobs überleben. Eine*e Arbeiter*in sagt "Unser Lohn kann unsere monatlichen Kosten nicht decken. Die Kinder müssen in den Schulferien und an den Wochenenden auch nähen gehen". Die ARTE Doku "Giftige Jeans" kritisiert den Chemikalieneinsatz und die fehlenden Schutzmaßnahmen in der türkischen Textilindustrie.

Thailand: 1.250 thailändische Bekleidungsarbeiter*innen der Fabrik Brilliant Alliance konnten nach mehr als einem Jahr einen Sieg erzielen, und erhielten ihnen zustehende Lohnnachzahlungen in Höhe von insgesamt 7,7 Millionen Euro - im Durchschnitt gut 6,150 Euro pro Person. Die EIgentümer (Clover Group) aus Hong Kong weigerten sich zunächst, nach der Schließung der Fabrik Abfindungszahlungen zu zahlen. Nach monatelangen Bemühungen u.a. vom Worker Rights Consortium und der Clean Clothes Campaign) erklärte sich Clover bereit, die Beschäftigten zu bezahlen. Victoria's Secret verpflichtete sich, die Zahlungen über ein Darlehen an Clover zu finanzieren.

Unternehmen im Textilbündnis

Unternehmen steigern Umsätze: Takko verbesserte den Nettoumsatz im vergangenen Geschäftsjahr um 11% auf 1,05 Mrd. Euro. Der weltweite Umsatz von Otto ist im abgelaufenen Geschäftsjahr 21/22 um 12,9% auf 16,1 Mrd. Euro gestiegen. H&M steigert den Umsatz im zweiten Quartal um 17% ggü. dem Vorjahresquartal: 5,13 Mrd. Euro. Primark erwirtschaftete vom 6. März bis zum 28. Mai einen Umsatz in Höhe von 2,01 Mrd. Euro. Die Erlöse übertrafen das entsprechende Vorjahresniveau damit um 81% ggü. dem Vorjahresniveau (Ladenschließungen!). Lidl erhöhte nach Konzernangaben seinen Filialumsatz um 4,7% auf 100,8 Mrd. Euro. Gerry Weber musste im Geschäftsjahr 2021 einen Umsatzrückgang hinnehmen, konnte aber sein Ergebnis durch Sparmaßnahmen und staatliche Hilfsgelder kräftig verbessern (63,2 Mio. Euro) und in die Gewinnzone zurückkehren: Konzernumsatz von 262,7 Mrd. Euro. (-5,5% ggü. 2020).

Orsay schließt zum 30. Juni alle Filialen in Deutschland wegen Insolvenz.