Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

GOTS "Annual Report 2021" (PDF): Im Jahresbericht informiert der Global Organic Textile Standard über "eines der erfolgreichsten in der Geschichte von GOTS". Die Zertifizierungsstellen (CBs) meldeten insgesamt 12.338 GOTS-zertifizierte Betriebe (+19%) in 79 Ländern (+11%) - in 2020 waren es noch 10.388. Aufgrund des erheblichen Zuwachses an zertifizierten Betrieben (und den damit eingenommenen Gebühren) in den Jahren 2020 und 2021 konnte das GOTS-Team erheblich vergrößert und die Bereiche Standardentwicklung und -implementierung, Qualitätssicherung, Kommunikation und IT ausgebaut werden. Über den aktuell laufenden Revisionsprozess bei GOTS berichteten wir im News Update der KW 17.

Modern Slavery & Human Rights Policy & Evidence Center "Fashion Supply Chains, Modern Slavery and the COVID-19 Pandemic - Impacts, Empathy and Resilience" (PDF): In der Studie werden die Auswirkungen der Pandemie auf die Lieferketten der indischen Modebranche analysiert. Die von den Forscher*innen befragten Marken, Zulieferer*innen und andere, die in den Lieferketten der indischen Modebranche tätig sind, machten häufig die unvorhersehbare Nachfrage für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der unerlaubten Vergabe von Unteraufträgen und die damit verbundenen Risiken unethischer Praktiken verantwortlich, zusätzlich zu den direkten Auswirkungen von Covid-19 auf die Lieferketten wie Arbeitsplatzverluste und Lohnkürzungen. Die Untersuchung weist jedoch auf einen starken Zusammenhang zwischen dem langfristigen Engagement der Marken für ethischen Handel und einer besseren Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen der Pandemie hin. Zentrale Erkenntnis der Autor*innen ist daher, dass Modemarken, die sich langfristig für ethische Handelspraktiken in ihrem Unternehmen einsetzen, tendenziell widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie waren. Marken, die über engagierte Teams verfügten, die mit den Lieferant*innen und dem ethischen Personal vor Ort zusammenarbeiteten, waren in der Lage, engere Beziehungen zu ihren Lieferant*innen aufzubauen, was sich als wichtig erwies, um mit den Umsatzeinbußen, dem geringeren Umsatz und den Herausforderungen bei der Personalführung fertig zu werden.

IndustriALL "GBVH in the Garment and Textile Sector" (PDF): IndustriALL stellt das dritte und letzte Kapitel der Studie über geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse aus dem Bekleidungssektor vor. Die befragten Gewerkschaftsführerinnen berichten von allgegenwärtiger sexueller Belästigung und Missbrauch in ihren Fabriken durch Vorgesetzte, Manager und männliche Maschinentechniker. Viele der befragten Frauen sprachen von den positiven Auswirkungen einer Gewerkschaft; bei einigen Frauen kam es nach der Gründung der Gewerkschaft in der Fabrik zu erheblichen Veränderungen. Viele Gewerkschaften haben Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen zum Thema GBVH zu einer Priorität gemacht, ebenso wie Verhandlungen am Arbeitsplatz und Vereinbarungen zu diesem Thema. Die Präsenz von Frauen in gewerkschaftlichen Führungspositionen hat eine entscheidende Wirkung. Die Interviews zeigen auch, wie wichtig vertrauliche Beschwerdesysteme sind, denen die Frauen vertrauen, sowie Gewerkschaftsvertreterinnen, die Vorfälle anonym im Namen einer Arbeitnehmerin melden können.

News

EU-Lieferkettengesetz: Über 220 zivilgesellschaftlichen Netzwerke, Einzelorganisationen und Gewerkschaften aus der ganzen Welt haben sich mit einem gemeinsamen Statement an das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten gewandt und ein starkes EU-Lieferkettengesetz gefordert. In dem Statement wird der vorgelegte Entwurf der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (CSDDD) kritisiert und gefordert, die bestehenden Mängel zu beseitigen. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) äußert sich zum geplanten EU-Lieferkettengesetz und warnt in einem offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor Belastungen des mittelständischen Einzelhandels. „Mittelständische Einzelhändler sind schlicht nicht in der Lage, ihre gesamten Lieferketten bis hin zum Sub-Sub-Sub-Unternehmer des Herstellers am anderen Ende der Welt rechtssicher zu überwachen", so das Schreiben. Im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft hat sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für mehr internationale Standards für Menschenrechte in Lieferketten ausgesprochen. Er betonte, dass faire Lieferketten ein "bedeutendes Anliegen" der Regierung seien.

Review-Prozess im Textilbündnis: Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) begleitete sechs der 55 Auswertungsgespräche im Review-Prozess. Dabei war das Ziel, die Qualität und Eignung der Auswertungsgespräche als Instrument zur Förderung von Sorgfaltspflichten im Textilbündnis zu beurteilen. Das DIMR kommt in seinem 19-seitigen Bericht zu dem Schluss, dass die Auswertungsgespräche einen wichtigen Bestandteil des Review-Prozesses darstellen und auch in Zukunft ein verpflichtender Teil des Prozesses bleiben sollten. Um das Potential der Auswertungsgespräche in Zukunft noch besser ausschöpfen zu können, empfiehlt das DIMR, einen besonderen Fokus auf die Bereiche zu legen, bei denen die Unternehmen die größten Umsetzungsschwierigkeiten zeigen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die stärkere Einbindung der Perspektiven von Betroffenen in der Lieferkette hervorgehoben. Ebenso sollte das Textilbündnis im Review-Prozess noch stärker darauf hinwirken, dass die Unternehmen ihre Risiken gemäß den Vorgaben der UN-Leitprinzipien priorisieren, das heißt nach Schwere (Grad, Tragweite, Unumkehrbarkeit) und Eintrittswahrscheinlichkeit.

Chemikalien: Die EU veröffentlichte Ende April die "Restrictions Roadmap under the Chemicals Strategy for Sustainability", in deren Geltungsbreich bis zu 12.000 gefährliche Stoffe fallen könnten. Durch diese Roadmap sollen bestehende Gesetze genutzt werden, um giftige Substanzen zu verbieten, die mit Krebs, hormonellen Störungen, Fortpflanzungsstörungen, Fettleibigkeit, Diabetes und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Nach Angaben des Europäischen Umweltbüros (EEB) würde dies das "weltweit größte Verbot giftiger Chemikalien" darstellen. Der Plan konzentriert sich erstmals auf ganze Klassen chemischer Stoffe, darunter alle Flammschutzmittel, Bisphenole, PVC-Kunststoffe, giftige Chemikalien in Einwegwindeln und PFAS, die aufgrund der Zeit, die sie brauchen, um sich natürlich abzubauen, auch als "forever chemicals" bezeichnet werden (zu PFAS in Bekleidung berichteten wir im News Update der KW 5).

Produktionsländer

Pakistan: Durch die Zusammenarbeit in einem Modul der Bündnisinitiative Beschwerdemechanismus haben Fairtrade gemeinsam mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und den Modeunternehmen Primark, Hch. Kettelhack, Hugo Boss, Takko und Tex Idea erstmals ein Projekt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Pakistans Textilsektor gestartet. Das im Rahmen des Bündnisses für nachhaltige Textilien erarbeitete Projekt „Stärkung innerbetrieblicher Beschwerdestrukturen in Pakistan“ soll deshalb Textilfabriken dabei unterstützen, funktionierende innerbetriebliche Beschwerdestrukturen aufzubauen oder bereits bestehende Mechanismen weiterzuentwickeln. Die Umsetzung vor Ort wird von Fairtrade Deutschland koordiniert.

Aufgrund von anhaltender Hitze und schwerem Wassermangel ist die Baumwollernte in mehreren Regionen Pakistans in Gefahr. Berichten zufolge haben die Kanäle im oberen Sindh und im unteren Punjab zu 80% zu wenig Wasser, sodass sich die Baumwollaussaat voraussichtlich um drei bis vier Wochen verzögern wird. Außerdem werde das steigende Quecksilber trotz einer Ausweitung der Anbauflächen die Baumwollernte beeinträchtigen, sagten die Beteiligten und fügten hinzu, dass nur rechtzeitige Regenfälle die Ernte in dieser Saison vor Schäden bewahren könnten.

Unternehmen im Textilbündnis

H&M: Gemeinsam mit dem Unternehmen Textile Genesis strebt H&M an, die Technologie des Unternehmens für alle seine Produkte zu verwenden und bis Ende 2022 mehr als 200 Millionen Teile rückverfolgbar zu machen. Textile Genesis is auf die Entwicklung von Blockchain-Technologie zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit entlang der textilen Lieferkette spezialisiert.

Adidas: Die Kampagne für Saubere Kleidung nahm am 12.Mai im Rahmen ihrer #PayYourWorkers-Kampagne an der Hauptversammlung von Adidas teil – in Partnerschaft und mit Unterstützung der Kritischen Aktionäre. Gemeinsam forderten die Organisationen von dem Unternehmen, dass es seiner Verantwortung nachkommt und dazu beiträgt, die katastrophalen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Beschäftigte innerhalb seiner Lieferkette entscheidend zu mildern. „Die Aktionär*innen können sich über die Auszahlung der Dividenden freuen, während die Arbeiter*innen in den globalen Zulieferfabriken immer noch auf ihren Lohn vom letzten Jahr warten“, so Vivien Tauchmann.

Global Tactics: Jan Böhmermann erhebt im ZDF Magazin Royale schwere Vorwürfe gegen Influencer und Unternehmer Fynn Kliemann und seinen Geschäftspartner Tom Illbruck vom Textilbündnisunternehmen Global Tactics. In Bangladesch und Vietnam im großen Stil produzierte Masken wurden laut der Rechercheergebnisse als „fair“ und „in Europa produziert” verkauft. Aufgrund der Anschuldigungen pausiert das Textilbündnis derzeit die Mitgliedschaft von Global Tactics. Die Tochtergesellschaft von Textilmitglied Otto, AboutYou, nahm die Masken aus dem eigenen Onlineshop und beteuerte, nicht darüber informiert gewesen zu sein, dass die Masken auch außerhalb von Europa hergestellt wurden. In einem Blog-Beitrag vom Südwind Institut geht Sabine Ferenschild in diesem Zusammenhang auf das Produktionsland Bangladesch ein. Nicht das Label "Made in Bangladesch" sollte hier angeprangert werden, vielmehr sollte "jedes Unternehmen, dass dort einkauft, seine Einkaufspraktiken und seine Einkaufspreise so gestalten, dass die Beschäftigten in den Zulieferbetrieben fair bezahlt werden, keine exzessiven Überstunden machen müssen und ihre Kinder zur Schule schicken können". Die Schlussfolgerung aus dem schlechten Image Bangladeschs, dass in Europa hergestellte Bekleidung auf jeden Fall unter akzeptablen Arbeitsbedingungen produziert wurde, wäre zudem falsch.