Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

Walk Free & WikiRate "Beyond Compliance in the Garment Industry: Assessing UK and Australian Modern Slavery Act statements produced by the garment industry and its investors" (PDF): Gesetze wie der Modern Slavery Act (MSA) verpflichten Unternehmen aller Branchen, darüber zu berichten, wie sie die Risiken moderner Sklaverei in ihren direkten Betrieben und Lieferketten angehen. Um zu verstehen, wie die Bekleidungsindustrie diesen Verpflichtungen nachkommt, haben Walk Free und WikiRate die Erklärungen der größten Bekleidungsunternehmen, die unter den MSAs in Großbritannien und Australien Bericht erstatten, bewertet. Dieser Bericht gibt einen Überblick über den Grad der Offenlegung von Risiken der modernen Sklaverei, identifiziert bewährte Praktiken und zeigt Lücken in der Qualität der Berichterstattung auf. Key Findings: 31% der untersuchten Unternehmen erfüllen nicht die Mindestanforderungen an die Berichterstattung gemäß der MSA-Gesetzgebung, 26% legten keine Informationen über ihre Lieferketten offen, 64% wenden keine Maßnahmen gegen moderne Sklaverei auf Arbeitnehmer*innen außerhalb ihrer direkten Zulieferer*innen an.

Extended Producer Responsibility: Eunomia im Auftrag für die Changing Markets Foundation und das European Environmental Bureau "Driving a Circular Economy for Textiles through EPR" (PDF): Die Studie zeigt, dass die EU dringend eine erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien einführen sollte. Dabei werden Gebühren festgelegt, damit die Unternehmen für die Kosten im Zusammenhang mit der Entsorgung ihrer Produkte am Ende ihrer Lebensdauer aufkommen. Durch die Einführung der EPR werden die Kosten am Ende der Lebensdauer von den Hersteller*innen und nicht von allen Steuerzahler*innen getragen. EPR und andere unterstützende Maßnahmen können auch die Wiederverwendung und das Recycling von Kleidungsstücken fördern, die derzeit im Abfall landen. Die Studie empfiehlt, dass jeder EU-Mitgliedstaat seine eigene EPR für Textilien einführen sollte, während bestimmte Schlüsselelemente auf EU-Ebene harmonisiert werden sollten, z. B. die Leistungsziele (für Sammlung, Wiederverwendung und Recycling), die Festlegung, welche Hersteller*innen verpflichtet werden sollen, und die Kriterien für die Ökomodulation der Gebühren auf der Grundlage von Umweltkriterien im Zusammenhang mit dem Produktdesign. Auch das Briefing von der Changing Markets Foundation, Zero Waste Europe und dem European Environmental Bureau "A New Look for the Fashion Industry - EU Textile Strategy and the Crucial Role of Extended Producer Responsibility" (PDF)  konzentriert sich auf die Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) und untersucht wie sie dem Abfallproblem und der Überproduktion entgegenwirken kann.

News

Textilbündnis: Die Kampagne für Saubere Kleidung verkündet nach mehr als sieben Jahren den Austritt aus dem Textilbündnis. Das Bündnis könne keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den globalen Bekleidungslieferketten nachweisen und besonders beim Kernthema der Kampagne, den viel zu niedrigen Löhnen, verweigere sich der Großteil der Mitgliedsunternehmen jeglichem Engagement. Über den Austritt berichteten u.a.: Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Der Tagesspiegel.

Krieg in der Ukraine: FEMNET berichtet über die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Modeindustrie. Am 2. März organisierte Fair Wear ein Treffen zum Thema "Erhöhte Sorgfaltspflicht in der Ukraine in Kriegszeiten". Ziel des Treffens war der Informationsaustausch zwischen Mitgliedsmarken, ukrainischen Lieferant*innen und zwei lokalen Vertreter*innen aus dem Entwicklungssektor der Ukraine. Aufforderungen an die Unternehmen lauten: Verlassen Sie Ihre ukrainischen Lieferanten nicht sofort, Überwachen Sie die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer*innen, Bleiben Sie in Kontakt mit Ihren ukrainischen Geschäftspartner*innen und fragen Sie sie nach ihren Bedürfnissen, Suchen Sie nach humanitären Aktionen, an denen Sie sich beteiligen können, oder starten Sie selbst eine, Versprechen Sie Arbeitnehmer*innen, die (vorübergehend) nicht zur Arbeit kommen können, einen sicheren Arbeitsplatz, Vorschusszahlungen an Lieferanten leisten. Die Kampagne für Saubere Kleidung ruft deutsche Unternehmen zur Verantwortungsübernahme auf. S.Oliver bietet am Unternehmenssitz in Rottendorf eine Unterkunft für bis zu 75 ukrainische Geflüchtete und deren Versorgung an. Außerdem unterstütze das Unternehmen Hilfstransporte für Kinder in der Ukraine und spende Kleidung. Das Modeunternehmen New Yorker eröffnete am 10. März einen neuen Store in Moskau und scheint nicht (wie viele andere Modeunternehmen) an einem Aussetzen der Geschäftstätigkeit interessiert zu sein.

Transparenz: Im Zuge der Vorstellung des Entwurfs für ein EU-Lieferkettengesetz hat die Laudes Foundation das Portal "Transparency in Action" gestartet. Diese kostenlose, branchenweit erste Online-Plattform soll Modemarken auf der ganzen Welt dabei helfen, die Rolle der Transparenz bei der Steigerung der Leistung zu verstehen, ihre eigenen Angaben zu verbessern und sich an die neue Gesetzgebung anzupassen. Das von der Laudes Foundation in Zusammenarbeit mit den Wissenspartner*innen WikiRate, Fashion Revolution und Open Apparel Registry entwickelte Portal bietet bewährte Praktiken, Expert*innenratschläge, Tools und Ressourcen - einschließlich Informationen über bestehende und künftige Gesetze -, damit Marken fundierte Schritte in Richtung Transparenz unternehmen und ihre derzeitigen Bemühungen ausweiten können.

Wirkung von Initiativen und Standards: Fair Wear analysierte 72 Marken-Performance-Checks, die im Jahr '21 durchgeführt wurden. Das Ergebnis: Die Unternehemn haben seit Beginn der Pandemie ihre Beziehungen zu Lieferant*innen in den Herstellungsländern so gestaltet, dass sowohl die Rechte der Textilarbeiter*innen als auch Sozialstandards in der Produktion weiter geachtet und die Folgen der Pandemie für die Menschen in den Nähereien bestmöglich abgefangen wurden. Mitgliedsmarken hätten z.B. die Zahlung ausstehender Löhne während des Lockdowns und die Vorfinanzierung von benötigten Materialien übernommen und die Preise zur Deckung der Kosten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie angepasst. Allerdings konnten einige Marken nicht nachweisen, dass die Näher*innen den Mindestlohn während des Lockdowns erhalten haben. Bluesign veröffentlicht Ergebnisse der kooperierenden Textilhersteller*innen und liefert Zahlen zu Fortschritten in den Jahren 2010-2020. Durchschnittlich wurden pro Betrieb 4.500 MWh (-5%), 170.000.000 L Wasser (-18%), 3.500 Tonnen CO2e (-12%) und 341 Tonnen Chemikalien (-17%) eingespart.

Einkaufspraktiken: Der größte britische Online-Versandhändler ASOS, der Modeartikel von über 850 Marken als auch ein eigenes Sortiment an Modeartikeln verkauft, bittet seine Lieferant*innen schriftlich um einen "Handelsrabatt" von 2%, um die Auswirkungen der steigenden Inflation auszugleichen. In dem Brief schrieb José Antonio Ramos, Chief Commercial Officer von ASOS: "Während wir die Auswirkungen der Inflation weiterhin größtenteils auffangen, müssen wir nun mit Ihnen zusammenarbeiten, um einen Teil der Last zu teilen und Maßnahmen zu ergreifen, die für die Aufrechterhaltung wettbewerbsfähiger Preise für unsere Kund(*innen) unerlässlich sind." Dass auch Hersteller-Unternehmen steigende Inflation und höhere Kosten bei Rohstoffen, etwa durch steigende Baumwollpreise, zu tragen haben und Arbeiter*innen immer noch keine existenzsichernden Löhne erhalten, ignoriert dieses Vorgehen von ASOS vollständig.

Produktionsländer

Sri Lanka: Zwölf Gewerkschaften in ganz Sri Lanka haben eine gemeinsame Kampagne gestartet, um eine Erhöhung des monatlichen Mindestlohns für Beschäftigte in der Privatwirtschaft um 10.000 Rupien (49 US$) zu fordern. Beschäftigte in der Privatwirtschaft erhalten bislang nur 16.000 Rupien (80 US$) pro Monat als Mindestlohn. Drei Mitgliedsorganisationen der IndustriALL Global Union beteiligen sich an der Kampagne.

Ukraine: In einer neuen Textilfabrik in Tschernihiw, die 400.000 laufende Meter Stoff pro Monat herstellte, gab es am 04.03.2022 einen verheerenden Brand. Angestellte, die Schutz in einem Luftschutzbunker suchten, löschten das Feuer bevor der Beschuss sich verstärkte und auch das benachbarte Wohngebiet traf.

Unternehmen im Textilbündnis

Unternehmensumsätze steigen: Esprit erwartet ersten Jahresgewinn seit 2017. Eine vorläufige Analyse der noch ungeprüften Resultate habe ergeben, dass der Konzern im Jahr 2021 einen auf die Anteilseigner entfallenden Nettogewinn in Höhe von etwa 370 Millionen Hongkong-Dollar (43 Millionen Euro) erzielen konnte. H&M erholt sich mit zunehmendem Tempo von der Corona-Pandemie. Im ersten Geschäftsquartal bis Ende Februar steigerte das Unternehmen den Umsatz zum Vorjahreszeitraum um 23% auf rund 4,65 Mrd. Euro.