Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

European Environment Agency "Textiles and the environment: the role of design in Europe’s circular economy": Das Briefing untersucht die Rolle des Designs in Europas Kreislaufwirtschaft. Aus der Sicht des europäischen Verbrauchs haben Textilien im Durchschnitt die viertgrößten negativen Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel, nach Lebensmitteln, Wohnraum und Mobilität. Eine Umstellung auf ein zirkuläres Produktions- und Verbrauchssystem für Textilien mit längerer Nutzungsdauer und mehr Wiederverwendung und Recycling könnte diese Auswirkungen zusammen mit einer Reduzierung des Gesamtverbrauchs verringern. Eine wichtige Maßnahme ist das zirkuläre Design von Textilien, um die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten zu verbessern und die Verwendung von Sekundärrohstoffen in neuen Produkten zu gewährleisten. Die Veröffentlichung der EU-Strategie für nachhaltige Textilien ist für den 30.03. angekündigt. Diese Strategie soll die EU beim Übergang zu einer klimaneutralen, kreislauforientierten Wirtschaft unterstützen, in der die Produkte so konzipiert werden, dass sie langlebiger, besser wiederverwendbar und reparierbar, recyclingfähiger und energieeffizienter sind. Unklar ist noch, ob dabei Empfehlungen von zivilgesellschaftlicher Seite, wie sie in der Civil Society European Union Shadow Strategy for Sustainable Textiles, Garment, Leather and Footwear vorgestellt worden sind, aufgegriffen werden.

News

Betrug mit Bio-Baumwolle: Ein Artikel der New York Times geht auf das Problem gefälschter Bio-Baumwolle ein. Laut den jährlichen Berichten über den Zustand der Branche von Textile Exchange hat sich die Produktion von Bio-Baumwolle in Indien in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt: von 60.000 Tonnen im Jahr 2017 auf 124.000 Tonnen im Jahr 2021. Angesichts der begrenzten Mengen an Bio-Saatgut, die im Umlauf sind, sagen Branchenkenner*innen jedoch, dass die Menge an Bio-Baumwolle, die heute auf dem Markt ist, unmöglich ist. Infolgedessen, so Hilde van Duijn (Organic Cotton Accelerator), "haben wir eine Situation, in der die Nachfrage steigt, das Angebot zurückgeht und das Zertifizierungssystem auf Papier basiert. What happens? Es entsteht ein Markt für Zertifikate." Crispin Argento (The Sourcery) schätzt, dass zwischen der Hälfte und vier Fünftel der als Bio-Baumwolle aus Indien verkauften Ware nicht echt ist. Das Goldstandard-Bio-Baumwollsiegel stammt von dem deutschen Unternehmen, Global Organic Textile Standard (GOTS). Jedes Mal, wenn die Baumwolle entlang der Lieferkette verkauft wird, wird ein Transaktionszertifikat auf Papier ausgestellt: von der Entkörnungsanlage zu einem zertifizierten Spinner; zu einer zertifizierten Stoff-Fabrik und weiter, bis sie in Form eines Kleidungsstücks im Laden landet. Aber weder GOTS noch Textile Exchange führen selbst Inspektionen durch. Stattdessen nutzen sie die lokalen Büros internationaler Kontrollunternehmen, darunter OneCert, EcoCert und Control Union. Diese Unternehmen - die von den Entkörnungsbetrieben, Spinnereien und Landwirten bezahlt werden, die sie eigentlich überwachen sollen - besuchen Farmen, testen Saatgut auf G.M.O.-Verunreinigungen und inspizieren und überprüfen einmal im Jahr die Einrichtungen, die die Kleidungsstücke verarbeiten, spinnen, weben, färben und nähen. Sie stellen dann ein Papierzertifikat aus, das an GOTS und Textile Exchange geschickt wird, die das Papier an die Bekleidungshersteller*innen weitergeben, die es wiederum an die Marken weitergeben. Insider nennen dieses System "Papierhandel" und sagen, dass es bei jedem Schritt wenig gibt, was einen Betrieb daran hindert, einen Haufen konventioneller Baumwolle als Bio-Baumwolle zu verkaufen und dann das Papierzertifikat zu ändern, um der größeren Menge zu entsprechen. Auf diese Weise verdoppelt, verdreifacht oder vervierfacht sich die Menge der zertifizierten Bio-Baumwolle auf ihrem Weg durch die Lieferkette. 

New York Lieferkettengesetz: Im News Update der KW 3 berichteten wir über den Fashion Sustainability and Social Accountability Act, der alle Modeunternehmen, die in New York ihre Produkte verkaufen und einen Umsatz von mehr als 100 Mio. US$ erzielen, dazu verpflichtet, mindestens 50% ihrer Lieferketten zu kartieren und Auswirkungen wie Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und Chemikalieneinsatz offenzulegen. Ein Bericht des Corporate Accountability Lab geht nun auf die Schwachstellen des Gesetzes ein. Bei der Beschreibung der Art der geforderten Offenlegung verweist der Gesetzentwurf auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die ILO-Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit. Der FSSAA verpflichtet die Unternehmen jedoch nicht zur Einhaltung internationaler Standards. Der FSSAA verlangt, dass sich die Unternehmen "gut bemühen", das Menschenrechtsrisiko für 50% ihrer Zulieferer*innen offenzulegen. Die Forderung nach "Bemühungen" reicht jedoch bei weitem nicht aus, um eine tatsächliche Leistung zu verlangen - und wahrscheinlich werden die Unternehmen die einfacheren Lieferketten erfassen, die im Allgemeinen auch die Lieferketten mit weniger Menschenrechts- und Umweltrisiken sind. Der FSSAA sieht sowohl eine Geldstrafe für die Nichteinhaltung der Vorschriften als auch ein Klagerecht für die Verbraucher*innen vor. Jedoch bietet das Gesetz denjenigen, die durch missbräuchliche Arbeits- und Umweltpraktiken in den Lieferketten tatsächlich geschädigt werden, nämlich den Arbeitnehmer*innen, immer noch keine Vertretung oder Abhilfe.

Produktionsländer

Myanmar: Die Europäische Handelskammer in Myanmar schätzt die Beteiligung des Militärs an dem gesamten Sektor auf weniger als 0,1 % der rund 750 Bekleidungs-, Schuh- und Gepäckfabriken (PDF). In drei industriezonen in Yangon wurden "begrenzte Verbindungen" zum Militär gefunden. Die Fabriken müssen Mieten und Gebühren an MEHL senden, ein öffentliches Unternehmen, dessen Aktionäre aktive und ehemalige Mitglieder des Militärs sind. Dennoch heißt es: "Aus Sicht der EU-Sanktionen ist nicht davon auszugehen, dass die Zahlungen an die Bekleidungsfabriken gegen die EU-Sanktionen verstoßen würden. Die Betreiber*innen (Unternehmen) sollten jedoch eine gründliche Due-Diligence-Prüfung durchführen, um sicherzustellen, dass sie ihren Verpflichtungen im Rahmen der geltenden EU-Sanktionen nachkommen". Zudem bestehe die Gefahr, dass der Rückzug westlicher Marken zum Verlust von Arbeitsplätzen führen könnte, die in der gegenwärtigen Situation nicht in anderen Fabriken außerhalb der Zone aufgefangen werden könnten. Die Einschätzungen der Handelskammer stehen im Kontrast zu den Aussagen der Gewerkschafter*innnen in Myanmar, die eine Isolierung des Militärs und umfassende Wirtschaftssanktionen gegen das Land fordern. Die Regierungen werden zudem aufgefordert, Druck auf multinationale Unternehmen und globale Marken auszuüben, damit diese ihre Geschäftsbeziehungen zu Myanmar einstellen (FEMNET-Berichte aus August und Oktober). Die ILO veröffentlichte das Briefing "Employment in Myanmar in 2021: A rapid assessment" (PDF), aus dem hervorgeht, dass im vergangenen Jahr schätzungsweise 220.000 Bekleidungsarbeiter*innen - die meisten von ihnen Frauen - in Myanmar ihren Arbeitsplatz verloren. 

Unternehmen im Textilbündnis

Deutscher Nachhaltigkeitspreis: In der Kategorie Unternehmen schafften es die Textilbündnisunternehmen Hess Natur und Schöffel unter die insgesamt 35 Finalist*innen. Beide sind in der Unterrubrik Transformationsfeld Lieferkette aufgeführt. Die Jury würdigte unter anderem, dass Hess Natur mithilfe von Preisanalysen die Produzenten fair bezahle, was wiederum existenzsichernde Löhne der dortigen Mitarbeiter*innen ermögliche. Darüber hinaus veranstalte das Unternehmen Schulungen und Workshops für die Arbeiter*innen sowie das Management in den Betrieben. Auf Mitarbeitertrainings in Vietnam, China und Myanmar setzt auch Schöffel. Von der Jury heißt es außerdem, dass der Outdoor-Anbieter durch eine bereits 2011 mit der Fair Wear Foundation geschlossene Kooperation während der Audits die Produktionswerke auf Basis der ILO-Standards prüfe. Zudem unterstütze das Unternehmen lokale Mitarbeiter*innen.