Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

Genevieve LeBaron & Jane Lister "The hidden cost of global supply chain solutions": Die Fachliteratur über globale Lieferketten verliert oft die umfassenderen und grundlegenderen Fragen aus den Augen, ob private Initiativen tatsächlich die Probleme lösen, die sie angehen sollen - wie Umweltverschmutzung, moderne Sklaverei und globale Ungleichheiten zwischen Nord und Süd. In dieser verlinkten Einleitung zur Sonderausgabe der Review of International Political Economy werden die wichtigsten Trends in Bezug auf die Wirksamkeit privater Governance-Lösungen analysiert. Die Studie argumentiert, dass private Lieferketten-Initiativen nicht nur bei vielen der wichtigsten Indikatoren versagen, sondern auch versteckte Kosten mit sich bringen - einschließlich unbeabsichtigter Folgen, unerwünschter Effekte und nicht wahrgenommener Auswirkungen.

Open Apparel Registry "from opaque to open - Untangling Apparel Supply Chains with Open Data": Das Open-Source-Tool Open Apparel Registry erfasst weltweite Bekleidungsbetriebe in einer zentralen, offen zugänglichen Karte und weist jeder Fabrik eine eindeutige ID-Nummer zu. Der verlinkte Bericht gibt die Erfahrungen aus den ersten zwei Jahren der Organisation wieder und berichtet, wie die Daten genutzt werden, um sinnvolle Veränderungen in den Bekleidungslieferketten zu bewirken. Auch das Textilbündnis arbeitet mit dem Open Apparel Registry als strategischem Partner zusammen.

Water Witness  "How fair is fashion's water footprint? - Tackling the global fashion industry's destructive impacts on Africa's water and workforce health" (PDF-Datei): Die Produktion von Bekleidung für Marken in Europa, Großbritannien und den USA verursacht eine verheerende Verschmutzung der afrikanischen Flüsse durch die Einleitung ungeklärter Abwässer. Die Studie stellt außerdem fest, dass die Unternehmen den Fabrikarbeiter*innen, von denen rund 80% Frauen sind, keinen Zugang zu sauberem Wasser, Waschgelegenheiten und Toiletten gewähren. Der Bericht hebt die positiven Auswirkungen der Produktion von Bekleidung in Afrika hervor, durch die dringend benötigte Arbeitsplätze und Exporteinnahmen geschaffen werden können, und plädiert für Maßnahmen, sodass die Beschaffung und Produktion von Waren auf dem gesamten Kontinent auf der Grundlage einer nachhaltigen Ressourcennutzung, menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und grundlegender Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit erfolgt.

TextileExchange "Preferred Fiber & Materials - Market Report 2021" (PDF-Datei): Der Report umreißt den Markt für Pflanzenfasern, tierische Fasern und Materialien, Seide und Leder, künstliche Zellulosefasern sowie synthetische Fasern. Der Bericht zeigt die weltweite Faser- und Materialproduktion, die Verfügbarkeit und die Trends. Dies wird auch für Fasern und Materialien mit verbesserten sozialen und ökologischen Auswirkungen dargestellt ("bevorzugte/preferred" Fasern / Materialien). Die Ergebnisse zeigen, dass zwischen 2019 und 2020 der Marktanteil von bevorzugter Baumwolle von 24 auf 30% und von recyceltem Polyester von 13,7 auf 14,7% gestiegen ist. Das wachsende Interesse der Marken an der Verwendung bevorzugter Fasern zeigt sich auch in der 75%-igen Steigerung der Gesamtzahl der Fabriken (auf 30.000) weltweit, die bis 2020 nach TextileExchange-Standards zertifiziert wurden. Der Bericht stellt jedoch auch fest, dass die bevorzugten Fasern trotz des Anstiegs nur weniger als ein Fünftel des globalen Fasermarktes ausmachen. Weniger als 0,5 Prozent des globalen Fasermarktes stammten aus Pre- und Post-Consumer-Recycling-Textilien.

STAND.earth "Fossil-Free Fashion Scorecard": Die Scorecard bewertet 47 führende Mode- und Bekleidungsunternehmen hinsichtlich ihrer Bemühungen, bei der Herstellung, den Rohstoffen und dem Versand ihrer Waren auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Die Scorecard baut auf der Filthy Fashion Climate Scorecard von 2019 auf. Sie analysiert nicht nur die Klimaschutz-Selbstverpflichtungen der Unternehmen, sondern auch ihre bisher ergriffenen Maßnahmen. Untersucht wurden auch die Textilbündnis-Unternehmen Puma (Rating C), Adidas (C-), H&M (C-), Vaude (D), C&A (D-), ESPRIT (F), Hugo Boss (F), und Primark (F).

News

ACCORD: Am 26. August gaben Bekleidungsunternehmen und Gewerkschaften eine Einigung über ein neues internationales Abkommen für Gesundheit und Sicherheit in der Textil- und Bekleidungsindustrie bekannt (International Accord for Health and Safety in the Textile and Garment Industry), mit dem das durch den Bangladesh ACCORD eingeführte Modell für den Schutz der Näherinnen bewahrt, erweitert und ausgebaut wird. Dieses Modell, das in Bangladesch unzählige Menschenleben gerettet hat, soll nun auch auf andere Länder ausgedehnt werden, in denen das Leben von Arbeitnehmer*innen weiterhin täglich gefährdet ist. Auch der Verband der Bekleidungsherteller*innen BGMEA veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der sie sich kritisch zum neuen Abkommen äußern, weil es ohne ihre Beteiligung ausgehandelt wurde.

Klima:

Der Zusammenhang zwischen der Bekleidungsindustrie und dem Klimawandel wurde nach der Veröffentlichung des neuen IPCC-Berichts vielfach aufgegriffen: Vogue Business hat sich den Bericht des IPCC angeschaut und wichtige Erkenntnisse für die Modeindustrie formuliert. Bekleidungsunternehmen müssen ihre Emissionen in den nächsten 5-10 Jahren drastisch reduzieren - vor allem entlang ihrer Wertschöpfungsketten. Expert*innen wünschen sich von der Modebranche umfassendere, aggressivere und dringlichere Bemühungen, die sich auf das gesamte Spektrum und nicht auf punktuelle Veränderungen konzentrieren. Dazu gehören Anreize für Hersteller*innen, auf erneuerbare Energien umzusteigen, die Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus eines Produkts, die Verkürzung der Frist für die Erreichung der Ziele und die Berücksichtigung von Lösungen für die gesamte Arbeitnehmerschaft und Lieferkette. Cynthia Cummis, Mitbegründerin der Science Based Target Initiative, erklärt, dass durch die neuen Erkenntnisse des IPCC-Reports ihre eigenen Benchmarkinggrößen nachbgeessert werden müssen, damit mitmachende Unternehmen (u.a. Adidas, Puma, Hugo Boss und Vaude) die Emissionen bis 2030 halbieren können.

Auch Fashion Revolution nahm den neuen Bericht zum Anlass, die Wertschöpfungskette der Modeindustrie anzuschauen, und Möglichkeiten aufzuzeigen, an welchen Stellschrauben die Industrie Emissionen einsparen kann. Wichtig sei es, dass die Branche zusammen arbeitet, um zwischen den verschiedenen Akteur*innen innerhalb der Lieferketten Synergien zu schaffen. Vor allem muss die Branche von einer Kultur der schnellen zu einer langsamen Mode und von einem linearen zu einem zirkulären Geschäftsmodell übergehen. Zudem spricht sich Fashion Revolution für gesetzliche Vorschriften aus, die Unternehmen dazu zwingen, aktiv zu werden.

Klimaaktivistin Greta Thunberg äußert sich im Zuge ihres Covers auf der skandinavischen Vogue zum Thema: "Die Modeindustrie trägt in hohem Maße zur Klima- und Umweltkatastrophe bei, ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die zahllosen Arbeiter und Gemeinschaften, die auf der ganzen Welt ausgebeutet werden, damit einige in den Genuss von Fast Fashion kommen, die viele wie Wegwerfartikel behandeln. (...) So wie die Welt heute gestaltet ist, kann man weder Mode in Massenproduktion herstellen noch "nachhaltig" konsumieren. Das ist einer der vielen Gründe, warum wir einen Systemwechsel brauchen." Auch die Bewegung Extinction Rebellion machte kürzlich auf einer Demonstration auf die Auswirkungen der Modeindustrie auf das Klima aufmerksam: Dei der Demonstration klebten sich Demonstrant*innen an die Schaufenster der Kaufhauskette Selfridges und hielten ein Transparent mit der Aufschrift "Mode ist süchtig nach schmutzigem Öl" hoch.

Produktionsländer

Myanmar: Die Confederation of Trade Unions of Myanmar (CTUM) fordert umfassende Wirtschaftssanktionen gegen das Land und eine Isolierung des Militärregimes durch die internationale Gemeinschaft. Die CTUM ist Teil des aus 16 Mitgliedern bestehenden Gewerkschaftsbündnisses, das die gesamte Gewerkschaftsbewegung des Landes vertritt. Gewerkschaftsführerin Khaing Zar, Präsidentin der Industrial Workers Federation of Myanmar (IWFM) und Vorstandsmitglied der CTUM erklärt "Globale Marken, die in Myanmar investieren, haben nicht genug getan, um die Arbeiter*innen zu schützen. Das Leben der Arbeiter*innen wird sich nicht verbessern, solange wir dieses Regime nicht abschaffen. Um dies zu erreichen, müssen wir ihnen den Zugang zu allen Ressourcen verwehren. Wenn sie kein Geld haben, können sie keine Waffen kaufen, um Menschen zu erschießen, und sie werden die Kontrolle verlieren."

Vietnam: Etwa ein Drittel der Textilfabriken in Vietnam mussten im August aufgrund rasant ansteigender Covid-19-Infektionszahlen schließen.