Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

Global Business Coalition against Human Trafficking (GBCAT) "Adressing Forced Labor and other Modern Slavery Risks - A Toolkit for Corporate Suppliers" (PDF-Datei): Das Toolkit soll Unternehmen, die in globalen Lieferketten tätig sind, dabei helfen, die Geschäftsbereiche mit dem höchsten Risiko für moderne Sklaverei schnell zu identifizieren und einen Plan zu entwickeln, um Risiken zu erkennen, zu verhindern und zu bewältigen. Das Toolkit ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen gedacht, kann aber auch Unternehmen aller Größenordnungen helfen, die die Risiken der modernen Sklaverei noch nicht kennen. GBCAT hat ebenfalls eine einseitige Infografik (PDF-Datei) veröffentlicht, in der Praktiken zur Vermeidung von Zwangsarbeit hervorgehoben werden, und hat auf seinem Lieferant*innenportal eine Liste von Ressourcen für Lieferant*innen zusammengestellt, die zusätzliche Anleitungen bieten.

Business & Human Rights Resource Center "Social Audit Liability - Hard Law Strategies to Redress Weak Social Assurances" (PDF-Datei): Die Sozialaudit-Industrie ist zu Recht zunehmend mit der Kritik konfrontiert, dazu beizutragen, dass Missstände in den Lieferketten von Unternehmen weiterhin toleriert werden. In zahlreichen Betrieben, die von Sozialaudit-Unternehmen auf die Einhaltung der Vorschriften geprüft und als konform gewertet wurden, wurden trotzdem gefährliche Zustände und zahlreiche Verstöße aufgedeckt (z.B. Rana Plaza und Ali Enterprises). Dieser Bericht skizziert rechtliche Strategien, um vor französischen, deutschen oder US-amerikanischen Gerichten Rechenschaft und Abhilfe einzufordern, wenn ein Sozialaudit-Unternehmen Menschenrechten schadet. Er zeigt auf, dass neue Gesetze und Vorschriften Sozialaudits nicht mit menschenrechtlicher Sorgfalt gleichsetzen oder als glaubhaften Ersatz dafür betrachten dürfen. Klagen gegen Sozialaudit-Unternehmen sind eine bislang kaum erprobte Strategie, um die Industrie rechtlich zur Verantwortung zu ziehen und Opfern Zugang zu Wiedergutmachung zu ermöglichen.

Fair Labor Association "Reaching Living Wage for Garment Workers" (PDF-Datei): In diesem Bericht werden drei Fallstudien über FLA-Mitglieder in China und Vietnam vorgestellt, die durch die Zusammenarbeit von Einkäufer*innen, Lieferant*innen und Arbeitnehmer*innen die Arbeitszeiten und Löhne verbessert haben. Ergebnisse waren laut FLA: innerhalb von zwei bis drei Jahren wurden übermäßige Überstunden abgebaut und die Löhne erhöht; Die Nettolohnerhöhungen reichten von 29-57%; Eine Schlüsselrolle bei der Verbesserung der Produktivität während der regulären Arbeitswoche spielten Leistungsanreize; alle Beispiele zeigen, dass Änderungen bei Produktivitätsprämien und anderen Anreizen zu Steigerungen von 89 bis 330 Prozent führten. Kritisch zu betrachten ist, dass die Arbeiter*innen nur durch eine Steigerung der Produktivität den Incentive Pay bekommen, und sich nur so einen Existenzlohn "verdienen" können, der eigentlich das Grundgehalt ausmachen sollte.

Fair Wear "Fair Wear’s Approach to Addressing Violence and Harassment in the World of Work: Guidance for Suppliers" (PDF-Datei): Der Leitfaden für Zulieferer*innen wurde entwickelt, um Gewalt und Belästigung auf Fabrikebene zu bekämpfen. Dieser Leitfaden basiert auf den OECD-Leitlinien und dem Kodex für Arbeitspraktiken der Fair Wear Foundation und soll die Lieferant*innen dabei unterstützen, gemeinsam mit den Mitgliedsmarken gegen Gewalt und Belästigung in den Fabriken vorzugehen und Abhilfe zu schaffen. Das Ziel des Leitfadens für Zuliefer*innen zum Umgang mit Gewalt und Belästigung ist die Einhaltung der nationalen und internationalen Vorschriften und Normen durch die Betriebe zu unterstützen, das Wissen der Lieferant*innen über den Umgang mit Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt zu erweitern, Unterstützung der Zuliefer*innen bei der Einrichtung eines Systems auf Fabrikebene, um Vorfälle von Gewalt und Belästigung, insbesondere von geschlechtsspezifischer Gewalt, zu erkennen, zu verhindern und zu beheben. In "Eliminating Caste-Based Sexual Violence in India" vom National Council of Women Leaders wird geschlechtsspezifische Gewalt gegen Dalit-Frauen und -Mädchen beleuchtet. Die Verurteilungsquote in Vergewaltigungsfällen gegen Dalit-Frauen und -Mädchen ist mit 32,2 % erschreckend niedrig, da nur ein kleiner Teil der Verbrechen sexueller Gewalt vom indischen Gerichtssystem verfolgt wird.

News

Altkleider: Der Report "Dead white man's clothes" von ABC illustriert die Auswirkungen von Kleiderspenden auf Menschen und Umwelt in Ghana. Am Ufer der Korle-Lagune in der ghanaischen Hauptstadt Accra erhebt sich eine etwa 20 Meter hohe Klippe aus einer Müllhalde - das meiste davon sind unerwünschte Kleidungsstücke. Etwa 15 Millionen gebrauchte Kleidungsstücke kommen jede Woche nach Accra. Der Transport der 55kg schweren Ballen durch den wimmelnden Basar ist mit mechanischen Mitteln unmöglich. Daher wird diese Aufgabe von den Kopfträgerinnen oder Kayayei, den "Frauen, die die Last tragen", übernommen. Die Arbeit ist gefährlich: Jede*r scheint eine Frau zu kennen, die durch sie eine schwere Verletzung erlitten hat. Die Händler*innen beschweren sich zudem über die immer schlechter werdende Qualität der Waren. "Nahezu 40 Prozent der täglich ankommenden Sendungen sind am Ende völlig wertlos", sagt Accras Abfallmanager Solomon Noi. Die Mülldeponien im Land geraten häufig in Brand, doch nur ein Teil der täglich anfallenden 160 Tonnen Textilabfälle landet auf der Mülldeponie. Während der Monsunzeit spülen tropische Stürme eine Unmenge an Kleidung in das Netz offener Abwasserkanäle, verstopfen das Abwassersystem und führen zu Überschwemmungen. Die Textilien, die es bis ins Meer schaffen, richten noch mehr Schaden an. Leichtere Materialien schwimmen auf, verfangen sich in den Plastikmüllschollen und werden wieder an Land gespült. Schwerere Materialien hingegen sinken auf den Meeresboden, um dann wieder aufzusteigen und in den Meeresströmungen 2-9 Meter lange Arme aus sich windendem Gewebe, sog. "Tentakel" zu bilden.

Uiguren: Die Berliner NGO European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat beim Generalbundesanwalt Strafanzeige wegen Mithilfe bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Lidl, Hugo Boss, Aldi und C&A erstattet. Der konkrete Vorwurf: Die deutschen Unternehmen sollen direkte oder mittelbare Lieferbeziehungen zu Textilfirmen gehabt haben oder weiter unterhalten, die in das staatliche Zwangsarbeitsprogramm in Xinjiang involviert sind. Mit den eingereichten Klagen fordert das ECCHR die nationalen Staatsanwaltschaften auf, die rechtliche Verantwortung von Manager*innen europäischer Unternehmen bei internationalen Verbrechen zu untersuchen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte bei ihrer jährlichen Rede zur Lage der Union ein Gesetz an, das verhindern soll, dass Produkte, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, künftig in der EU verkauft werden

Produktionsländer

Myanmar: IndustriAll verabschiedet eine Notfall-Resolution, in der unter anderem die Forderung nach umfassenden Wirtschaftssanktionen gegen die Militärjunta unterstützt wird. Die Regierungen werden zudem aufgefordert, Druck auf multinationale Unternehmen und globale Marken auszuüben, damit diese ihre Geschäftsbeziehungen zu Myanmar einstellen. Fair Wear gibt ein Update zur Situation in Myanmar und gibt bekannt, dass Fair Wear zusammen mit dem Multistakeholder-Board die neue Situation bewertet und versuchen wird, Marken in dieser komplexen Situation bestmöglich zu beraten. Zu diesem Zweck führen sie Befragungen der Stakeholder durch, um herauszufinden, inwieweit Unternehmen weiterhin verantwortungsvolle Geschäfte im Einklang mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in Myanmar tätigen können, welche Auswirkungen die Entscheidung der Marken, sich weiter zu engagieren oder sich zurückzuziehen, auf die Bekleidungsarbeiterinnen in Myanmar hat und welche Überlegungen im Falle eines individuellen oder kollektiven Rückzugs aus Myanmar angestellt werden sollten. Außerdem soll untersucht werden, was ein verantwortungsvoller Ausstieg wäre, sollte dies der Fall sein. Bestseller gab Ende August bekannt, keine Aufträge mehr in Myanmar zu platzieren.

Kambodscha: In Kambodscha finden derzeit Verhandlungen über den Mindestlohn für die ca. 600.000 Beschäftigten in der Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie statt. Arbeiter*innen sind während der Pandemie einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt und arbeiten trotzdem teilweise 10 Stunden am Tag. Obwohl viele Textilarbeiter*innen schon jetzt hoch verschuldet sind und während der Pandemie Lohnausfälle hinnehmen mussten wollen Fabrikbesitzer*innen nun die Mindestlöhne im Bekeidungssektor senken. Ob der Mindestlohn erhöht, gesenkt oder beibehalten wird, soll bei einem dritten Treffen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeber*innenvertreter*innen sowie der Regierung entschieden werden. Patrick Lee, Rechtsberater der Arbeitsrechtsorganisation CENTRAL sagt "Ich denke, es ist an der Zeit, dass sich die internationalen Bekleidungsmarken an den Diskussionen über Mindestlöhne beteiligen".

Unternehmen im Textilbündnis

Primark setzt sich neue Nachhaltigkeitsziele: Innerhalb eines Jahres sollen alle T-Shirts im unteren Preissegment aus nachhaltig angebauter Baumwolle hergestellt werden; der Designprozess soll sicherstellen, dass Kleidungsstücke am Ende ihres Lebenszykluses recycelt werden können; durch Zusammenarbeit mit der Zulieferer*innen sollen CO2-Emissionen in der Wertschöpfungskette um die Hälfte reduziert werden; der Textildiscounter will sich für existenzsichernde Löhne in der Liefekette einsetzen. Man darf gespannt sein, wie diese Ziele in der Textilbündnis-Roadmap von Primark ausbuchstabiert sein werden.