Aktuelles/Briefing Room

STUDIEN UND CO.

Greenpeace "Greenwash Danger Zone - 10 years after Rana Plaza fashion labels conceal a broken system" (PDF): Der Bericht untersucht die Nachhaltigkeitsbehauptungen von 14 Marken, die sich selbst als besonders "umweltfreundlich" oder "verantwortungsbewusst" bezeichnen. Zu den vermeintlich nachhaltigen Kollektionen bekannter Marken gehören: Decathlon Ecodesign, H&M Conscious, Mango Committed, Primark Cares, Tesco F&F Made Faithfully, Zara Join Life. Die Versprechen der Marken auf diesen Etiketten wurden in mehrfacher Hinsicht als unzureichend eingestuft, z.B. wegen: Verwirrende Kennzeichnungen, einschließlich falscher "Zertifizierungen", die einfach nach den Nachhaltigkeitsprogrammen der Unternehmen benannt sind; fehlende interne oder sogar externe Überprüfung von Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsmaßnahmen; Mangel an öffentlichen Informationen über die gesamte Produktionskette; kein Versuch, die Produktion von großen Mengen zu verlangsamen; irreführende Behauptungen über "Kreislaufwirtschaft", die sich auf recyceltes Polyester aus Plastikflaschen stützen; Verwendung von "nachhaltig" oder "verantwortungsbewusst" für Materialien, die nur wenig besser sind; Förderung von Mischgeweben wie Polycotton, die nicht recycelbar sind; fortgesetzter Rückgriff auf diskreditierte Messinstrumente wie den Higgs-Index; mangelnde Aufschlüsselung von Informationen über Materialien; Verlassen auf kleine Veränderungen, wenn große Veränderungen in der Massenproduktion erforderlich sind. Laut Greenpeace besteht die einzige Möglichkeit, die Modeunternehmen dazu zu bringen, ihren ökologischen Ansprüchen gerecht zu werden, darin, die Menge der von ihnen hergestellten Kleidung zu reduzieren. Doch viele Modeunternehmen geben nicht einmal an, wie viele Kleidungsstücke sie pro Jahr produzieren.

Textile Exchange "Material Change Insights 2022" (PDF): Im jährlichen Report werden die Fortschritte der Mode-, Textil- und Bekleidungsindustrie auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Materialbeschaffung untersucht. Der Bericht analysiert Daten von 424 Unternehmen - darunter Marken, Einzelhändler*innen, Hersteller*innen und Lieferant*innen. Die diesjährigen Ergebnisse zeigen die folgenden Trends auf: Der Einsatz von "bevorzugten Materialien" nimmt weiter zu und macht nun 56% der von den teilnehmenden Unternehmen verwendeten Materialien aus; der Anteil der recycelten Materialien stieg auf 14%, wobei 4% der recycelten Inhalte aus Post-Consumer-Textilquellen stammen; die Treibhausgasemissionen stiegen in Tier 4 (Rohstoffgewinnung) um 5%, nachdem sie während der Pandemie gesunken waren, was eine Rückkehr zum normalen Geschäftsniveau bedeutet; die durch Nachhaltigkeitsstandards abgedeckte Landfläche liegt bei 18,3% des gesamten geschätzten Land-Fußabdrucks für drei wichtige landbasierte Materialien (Baumwolle, Wolle und zellulosehaltige Chemiefasern); die Transparenz der Beschaffungsregionen ist eine Notwendigkeit, um ortsbezogene Risiken zu verstehen, und 47% der Materialien lassen sich derzeit bis zum Herkunftsland zurückverfolgen; kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle entwickeln sich weiter, wobei 73% der Unternehmen diesen Weg ausprobieren und die Vermietung die beliebteste Lösung ist. Die Ergebnisse sind ein vielversprechender Beweis dafür, dass die Unternehmen über eine nachhaltigere Beschaffung nachdenken, Strategien entwickeln und Kapazitäten aufbauen. Der Wandel vollzieht sich jedoch weder schnell noch systematisch genug, um die Reduktionen zu erreichen, die notwendig sind, um das Ziel von Textile Exchange für 2030 zu erreichen, die Treibhausgasemissionen aus der Materialproduktion um 45% zu senken und gleichzeitig positive Auswirkungen auf die Bodengesundheit, das Wasser und die biologische Vielfalt zu erzielen.

Fair Trade Advocacy Office & Clean Clothes Campaign "Fast Fashion Purchasing Practices in the EU" (PDF): Der vom FTAO veröffentlichte Bericht basiert auf einer von der CCC Europe durchgeführten Feldforschung und zeigt die Existenz unfairer Handelspraktiken in der europäischen Bekleidungsindustrie auf. Auf der Grundlage von Interviews mit Lieferant*innen, Expert*innen und Gewerkschaftsvertreter*innen in sechs EU-Mitgliedstaaten - Bulgarien, Rumänien, Kroatien, der Tschechischen Republik, Italien und Deutschland, zeichnet der Bericht ein klares Bild von den unbeständigen, riskanten und unausgewogenen Handelsbeziehungen zwischen Marken und Hersteller*innen. Die Untersuchung zeigt einen allgemeinen Trend zur Senkung der Preise, zur Verkürzung der Vorlaufzeiten, zur Zunahme von Auftragsänderungen, zur Verlängerung der Zahlungsfristen und zur Abwälzung eines immer größeren Anteils der "versteckten" Kosten, wie z. B. die Herstellung von Erstmustern, auf die Hersteller*innen. Dadurch geraten die Zulieferer*innen in finanzielle Schwierigkeiten und sind nicht in der Lage, Investitionen zu tätigen und Löhne zu zahlen. Der Bericht konzentriert sich auf zwei große Zentren der Bekleidungsproduktion in Europa: Italien und Osteuropa. Zu den Marken, die bei den untersuchten Herstellern einkaufen, gehören ASOS, Metro, MS Mode,Moncler und die Otto Group. Auch Luxusmarken wurden einbezogen, aber auf Wunsch der Untersuchungsteilnehmer*innen nicht genannt.

NEWS

Rana Plaza: Am 24.4. jährte sich der Fabrikeinsturz zum zehnten Mal, dies wurde von vielen Organisationen und Medien zum Anlass genommen, über die Entwicklungen bzgl. der Arbeitsrechte innerhalb der letzten zehn Jahre zu berichten, so z.B. FEMNET, FashionUnited, Human Rights Watch, Forbes, Business of Fashion, CNN, British Vogue und die Rosa Luxemburg Stiftung. Auch Reporte von Baptist World Aid und dem NYU Stern Center for Business and Human RIghts gehen auf das Thema ein. Konsens ist, dass die Fabrikgebäude sicherer geworden sind, andere Arbeitsrechte und die Rechte der Gewerkschaften sich jedoch nicht verbessert, sondern teilweise durch die Pandemie und die Inflation verschlechtert haben. Auch der International Accordveröffentlichte ein Statement und verkündet, dass bereits über 50 Unternehmen den Pakistan Accord unterschrieben haben. Unter den Unternehmen, die sich kürzlich anschlossen befindet sich auch Hugo Boss. INKOTA fordert derweil die Ausweitung des Accords auf Gerbereien, Schuh- und Lederfabriken. Auch Entwicklungsministerin Schulze äußerte sich zum Rana Plaza Gedenktag und sagte: „Besonders bei existenzsichernden Löhnen und Geschlechtergerechtigkeit gibt es noch viel zu tun". Zudem sprach sie sich für eine starke eruopäische Lieferkettengesetzgebung aus. Laut einer Studie von ActionAid sind insgesamt 54,5% der Überlebenden von Rana Plaza derzeit arbeitslos. Von ihnen waren 89% in den letzten 5 bis 8 Jahren ohne Arbeit, während 5,5% seit 3 bis 4 Jahren arbeitslos sind, so die Studie. Die Studie ergab auch, dass der Hauptgrund für die derzeitige Arbeitslosigkeit die körperliche Gesundheit ist. In einem Video von FEMNET sprechen zwei Frauen, wie sich ihr Leben durch den Einsturz verändert hat.

Erste BAFA-Beschwerde: FEMNET, ECCHR und NGWF reichten auf Grundlage des im Januar 2023 in Kraft getretenen Lieferkettengesetzes die erste Beschwerde gegen Amazon und IKEA beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), ein. Grundlage dafür ist eine im März 2023 in Bangladesch durchgeführte Recherche der Gewerkschaft National Garment Workers Federation(NGWF), bei der Sicherheitsmängel wie fehlende Inspektionen aber auch andere Arbeitsrechtsverletzungen wie mangelnde Gewerkschaftsfreiheit festgestellt wurden. Und das, obwohl es bereits seit 2013 einen effektiven Mechanismus zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz gibt, den Bangladesch Accord, den bereits 195 Unternehmen unterzeichnet haben. Die drei klagenden Organisationen sind davon überzeugt, dass die Nichtunterzeichnung eine Verletzung der Sorgfaltspflicht von Unternehmen darstellt.

Bio-Baumwolle: OEKO-TEX führt die ORGANIC COTTON-Zertifizierung ein. Laut OEKO-TEX bietet die Zertifizierung ein umfassendes und objektives Prüfsystem für Bio-Baumwollprodukte mit einer vollständig verifizierten Produktkette. Im Mittelpunkt stehen dabei die Produkt- und Verbrauchersicherheit sowie die Rückverfolgbarkeit. Mode- und Textilprodukte, die dieses Label tragen, wurden aus Bio-Baumwolle hergestellt, die ohne GVO (gentechnisch veränderte Organismen) oder Pestizide angebaut und auf andere Schadstoffe geprüft wurde. Zum Nachweis der biologischen Herkunft unterscheidet die GVO-Quantifizierungsmethode von OEKO-TEX zwischen Verunreinigungen und absichtlicher Vermischung mit konventioneller Baumwolle. Die neue Zertifizierung steht im Einklang mit mehreren globalen Vorschriften, darunter EU REACH Anhang XIV und XVII, US CPSIA (Blei), EU POP Verordnung. Um eine klare Verbraucherkommunikation zu gewährleisten, hat OEKO-TEX ein Label und ein Unterlabel geschaffen: "ORGANIC COTTON" zertifiziert Artikel und Materialien aus 100% Bio-Baumwolle, während "ORGANIC COTTON Blended" zertifizierte Artikel zu mindestens 70% aus Bio-Baumwolle bestehen müssen.

PRODUKTIONSLÄNDER

Indonesien: 1. Am 19. April jährte sich zum achten Mal der Tag, an dem Jaba Garmindo Konkurs anmeldete, was zur plötzlichen Schließung von zwei Fabriken führte, die Kleidung für S.Oliver, Uniqlound andere produzierten. Ende April zahlte S.Oliver 100.000 Euro an 2.000 der betroffenen Arbeiter*innen, eine Zahlung, die Gewerkschaften als "längst überfällig" bezeichnen, die aber bei weitem nicht an die ausstehende Summe heranreicht, die von der CCC mit 5,5 Mio. Dollar beziffert wird. Im Jahr 2021 stellte die Fair Labor Associaton (FLA) fest, dass der Konkurs und die Schließung von Jaba Garmindo "nicht auf ein Fehlverhalten" von S.Oliver oder Fast Retailing (Uniqlo) zurückzuführen war, sondern vielmehr auf finanzielles Missmanagement des Lieferanten, einschließlich unregelmäßiger und unverantwortlicher Kreditvergaben. Die Organisation schlug jedoch vor, dass die anderen Einkäufer "zusammenkommen", um die "noch nicht erfüllten" Bedürfnisse der betroffenen Arbeitnehmer*innen zu befriedigen. 2. Eine große Bekleidungsfabrik in der indonesischen Stadt Tangerang wird ihren Betrieb schließen und 1163 Beschäftigte entlassen, nachdem ihr Hauptkunde, Puma, aufgrund der schleppenden Nachfrage auf den europäischen Märkten keine Aufträge mehr erteilt hat.

Bangladesch: Überlebende des Rana-Plaza-Einsturzes und betroffene Familien haben gemeinsam mit den Gewerkschaften NGWF und AGWF vor dem Obersten Gerichtshof von Bangladesch gegen die Gewährung einer Kaution für den Rana-Plaza-Eigentümer Sohail Rana protestiert und einen Hungerstreik durchgeführt. Die Entscheidung über die Kaution wurde vom Obersten Gerichtshof bis zum 8. Mai ausgesetzt und nun auf den 10. Juli vertagt (mehr Infos hierzu im letzten News Update). Die Demonstrant*innen wiesen auf die Notlage hin, in der sich viele betroffene Familien 10 Jahre später befinden, und forderten, dass Sohail Rana, der wegen mehrerer Morde angeklagt ist, im Gefängnis bleibt. Auch weitere Gewerkschaften (SGSF & BFWS) protestierten und forderten die Aufhebung der Freilassung gegen Kaution.

Indien: 1. Trotz breiter Opposition hat die Regierung von Tamil Nadu den Factories (Amendment) Act 2023 verabschiedet, der flexible Arbeitszeiten für Fabrikarbeiter*innen vorsieht. Mit diesem Gesetzentwurf wird die tägliche Höchstarbeitszeit von 8 auf 12 Stunden erhöht, wobei die wöchentliche Höchtsarbeitsszeit von 48 Stunden bleibt. Viele Arbeiter*innen sind so mindestens 14 Stunden von zu Hause weg, da sie mindestens eine Stunde zur Arbeit und nach Hause Pendeln. Gewerkschaften befürchten, dass die Arbeiter*innen durch die erhöhte Arbeitszeit übermüdet und anfälliger für Arbeitsunfälle werden. 2. Eine 20-jährige Wanderarbeiterin beging am 18. April in dem von der Fabrik Shahi Exports bereitgestellten Wohnheim in Bangalore Selbstmord. Sie hatte die Leitung um Urlaub gebeten, um in ihre Heimatstadt zu fahren, was ihr jedoch verweigert wurde. Der Wachmann des Wohnheims, der Heimleiter und der Janodaya Trust wussten, dass sie nur einen Tag zuvor dreimal versucht hatte, sich umzubringen. Der Janodaya Trust, der das Wohnheim verwaltet, und die Shahi-Unternehmensgruppe ignorierten dies und reagierten nicht zum richtigen Zeitpunkt. Die Garment Labour Union (GLU) hatte eine Auseinandersetzung mit der Polizei von Peenya, die Berichten zufolge den Fall auch zwei Tage nach dem Vorfall noch nicht aufgenommen hatte. Im Bangalore Mirror wird die allgemeine Situation der Wanderarbeiterinnen kritisiert, u.a. da die willkürlichen Regeln der Wohnheime kein normales Sozialleben für die sehr jungen Arbeiterinnen zulasse. Laut einer Umfrage der NGO READ werden fast 50% der in der Textilindustrie von Tiruppur arbeitenden Migrantinnen von ihren Vorgesetzten belästigt oder missbraucht.

UNTERNEHMEN IM TEXTILBÜNDNIS

Gerry Weber: Die Gerry Weber International AG muss sich sanieren und das deutsche Retail-Geschäft restrukturieren. Grund für die Sanierung seien die Corona-bedingten Schließungen der Stores in Deutschland und das veränderte Verhalten der Kund*innen, das unter anderem durch den Ukraine-Krieg und die hohe Inflation ausgelöst wurde. Ziel des finanziellen Sanierungsprozesses sei es, durch einen Ausgleich zwischen Finanzierungspartner*innen und Anteilseigner*innen den Verschuldungsgrad des Unternehmens so zu senken, dass Gerry Weber “als gesundes Unternehmen am Markt bestehen kann”. Zum Kapitalschnitt gehöre auch, dass die Börsennotierung erlöschen würde. Bei der Gerry Weber Retail GmbH, der deutschen Einzelhandelstochter des Bekleidungskonzerns, wurde als weitere Maßnahme beim zuständigen Amtsgericht in Bielefeld ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Zudem hat sich Gerry Weber von seinem Russland-Geschäft getrennt.

Puma ist mit zweistelligen Wachstumsraten in das neue Jahr gestartet. Höhere Kosten sowie Rabatte belasteten jedoch das Ergebnis. Für das Gesamtjahr stellt Puma weiterhin ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum im hohen einstelligen Prozentbereich in Aussicht. Im ersten Quartal stieg der Umsatz um 14,4% auf knapp 2,2 Mrd. Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) sank um 10,5% auf rund 176 Mio. Euro.

Hugo Boss: Die erneuerte Popularität seiner Marken hat Hugo Boss zu einem unerwartet starken Jahresauftakt verholfen. Der Vorstand zeigt sich deshalb optimistischer und hebt seine Prognosen für 2023 an. So soll unter anderem der Erlös um etwa 10% auf rund 4 Mrd. Euro steigen.

Primark hat seinen Umsatz in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 22/23 wie erwartet kräftig gesteigert. Demnach lag der Umsatz von Primark in den 24 Wochen vor dem 4. März bei 4,23 Mrd. Britischen Pfund (4,78 Mrd. Euro) und übertraf das entsprechende Vorjahresniveau damit um 19%. Auch in Deutschland erholte sich die Nachfrage, trotzdem plant das Unternehmen hierzulande aber weitere Filialschließungen. Zudem testet Primark in Deutschland kleinere Filialen.

Adidas: Die vollen Lager und die Aufkündigung der Yeezy-Partnerschaft haben Adidas auch zum Jahresauftakt belastet. Im fortgeführten Geschäft stand im ersten Quartal ein Verlust von 24 Mio. Euro. Vor einem Jahr hatte der Konzern hier noch einen Gewinn von 310 Mio. Euro erzielt. Wie Adidas mit den auf Halde liegenden "Yeezy"-Produkten aus der gekündigten Kooperation mit dem umstrittenen US-Rapper Kanye West umgeht, bleibt derweil weiter offen.