Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

Fashion Revolution "Fashion Transparency Index 2022": In der jährlichen Ausgabe des Indexes wurden 250 der weltweit größten Modemarken und Einzelhändler*innen überprüft und danach eingestuft, welche Informationen sie über ihre Sozial- und Umweltpolitik, -praktiken und -auswirkungen in ihren Betrieben und ihrer Lieferkette offenlegen. Die Marken erreichen im Durchschnitt nur 24 %, 1 % mehr als im Vorjahr. Weitere Kern-Ergebnisse und: 48 % veröffentlichen eine Liste ihrer Hersteller*innen der ersten Ebene; 96 % veröffentlichen nicht die Anzahl der Arbeitnehmer*innen in ihrer Lieferkette, die einen existenzsichernden Lohn erhalten; 13 % legen offen, in wie vielen ihrer Zulieferbetriebe es Gewerkschaften gibt; 12 % der Marken veröffentlichen einen Verhaltenskodex für einen verantwortungsvollen Einkauf; 94 % versäumen es, die Häufigkeit von Verstößen gegen geschlechtsspezifische Arbeitsbedingungen offenzulegen; 29 % veröffentlichen ein von der Science Based Targets Initiative geprüftes Dekarbonisierungsziel, das ihre Geschäftstätigkeit und ihre Lieferkette umfasst. Auch die Textilbündnis-Unternehmen H&M (61-70%); C&A, Puma, Esprit, adidas (51-60%); Hugo Boss, Tchibo (41-50%); Primark, ALDI Nord (31-40%); ALDI Süd, Lidl, s.Oliver (21-30%); Otto, kik (11-20%); Takko (6-10%); Gerry Weber (0-5%) wurden bewertet.

Cotton Campaign, Turkmen Initiative for Human Rights (TIHR) & Turkmen.news "Review of the Use of Forced Labor during the 2021 Cotton Harvest in Turkmenistan" (PDF): Der Bericht informiert über systematische Zwangsarbeit bei der Baumwollernte 2021 in Turkmenistan und basiert auf Beweisen aus erster Hand, die von geschulten Beobachter*innen der Zivilgesellschaft und lokalen Quellen dokumentiert wurden. Im autoritären Turkmenistan, wo die Regierung hart gegen Menschenrechtsaktivisten vorgeht und zivilgesellschaftliche Organisationen, die dem repressiven Regime kritisch gegenüberstehen, vom Exil aus arbeiten müssen, führten die Beobachter*innen der Zwangsarbeit diese Arbeit unter großer Gefahr von Verhaftung und Folter durch. Unabhängige Beobachter*innen registrierten auch Fälle von Kinderarbeit, bei denen Kinder zusammen mit ihren Eltern auf den Feldern arbeiteten oder als Ersatzarbeiter*innen für Eltern, die gezwungen waren, Baumwolle zu pflücken oder eine*n Ersatzpflücker*in zu bezahlen. Laut der Cotton Campaign sollten Europäische Regierungen und die USA dringend Maßnahmen ergreifen, um Baumwollprodukte, die in Turkmenistan in Zwangsarbeit hergestellt werden, von ihren Märkten zu verbannen und Unternehmen, die von Zwangsarbeit in Turkmenistan profitieren, zur Rechenschaft zu ziehen.

News

bluesign hat die Revision verschiedener Chemikalienlisten angekündigt. Dazu gehört ein Verbot der Verwendung von Enzymen in Pulverform. Enzyme können bei der Vorbehandlung und beim Färben sowie in Jeanswäschereien Wasser und Energie sparen, aber das Einatmen pulverförmiger Enzyme kann zu Atembeschwerden führen. Zudem werden Textilien, die mit PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) veredelt sind - die üblicherweise für dauerhaft wasserabweisende Beschichtungen verwendet werden - ab Juli 2024 aus dem bluesign-Leitfaden gestrichen. Alle Kriterien sind auf der Website zu finden.

Lage der Wirtschaft: Das Konsumforschungsunternehmen GfK teilte mit, dass seit Beginn der Erhebung der Verbraucherstimmung für Gesamtdeutschland im Jahr 1991 kein schlechterer Wert gemessen wurde: In normalen Zeiten bewegt sich die Kurve der Konsumstimmung stabil um einen Wert von 10. Im ersten Corona-Lockdown fiel sie auf einen Tiefpunkt von etwa minus 24. Für August prognostiziert GfK einen Wert von minus 30,6. Zu den Sorgen um unterbrochene Lieferketten, den Ukraine-Krieg und stark steigende Energie- und Lebensmittelpreise, kämen nun Befürchtungen um eine ausreichende Gasversorgung von Wirtschaft und privaten Haushalten im nächsten Winter. Auch die deutschen Onlinehändler hatten in den vergangenen Monaten unter der immer schlechter werdenden Verbraucherstimmung zu leiden. Der Online-Umsatz mit Waren im zweiten Quartal 2022 lag hierzulande bei 21,8 Mrd. Euro und damit um 9,6 % unter dem entsprechenden Vorjahresniveau. Überdurchschnittlich hohe Einbußen gab es in der Produktkategorie Bekleidung, deren Erlöse um 11,7 % auf 3,89 Mrd. Euro absackten.

Produktionsländer

Myanmar

Im Industriepark von Yangon streikten zu Beginn des Monats rund 2000 Beschäftigte der Bekleidungsfabriken JW (Great Glowing Investment) und A Dream of Kind (ADK) und erklärten, die Verletzung ihrer Grundrechte sei unerträglich geworden. Eine Arbeiterin berichtet, dass sie sechs Tage die Woche in 12-Stunden-Schichten arbeiten muss und der Arbeitgeber unerfüllbare Quoten (60 Kleidungsstücke pro Stunde) verlangt. Eine Mittagspause oder Toilettengänge seien bei dem Leistungsdruck schwierig. Eine weitere Streikende berichtet von mehr als 100 Überstunden im Monat. Im Nachgang des Streiks berichteten Arbeiter*innen von verstärkten Repressionen. Eine Frau, die in der Fabrik arbeitet, sagte, dass die Aufseher ein besonderes Augenmerk auf Beschäftigte legten, die als politisch aktiv galten, und erklärte während eines Treffens, dass Streiks unter der derzeitigen Regierung weiterhin illegal seien. Den Beschäftigten wurde auch verboten, außerhalb der ihnen zugewiesenen Arbeitsplatzreihen mit anderen zu kommunizieren, was nach Ansicht der Beschäftigten ein Versuch ist, sie davon abzuhalten, eine weitere Arbeitsniederlegung zu organisieren.

In einem Briefing (PDF) berichtet das Business & Human Rights Resource Center über die Entwicklungen der Situation von Arbeiter*innen in Myanmar. Im Allegations Tracker wurden mehr als 100 Fälle von mutmaßlichen Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen an mindestens 60.800 Bekleidungsarbeiter*innen aufgedeckt. Die betroffenen Arbeiter*innen sind in 70 Fabriken beschäftigt, die für mindestens 33 globale Modemarken und Einzelhändler*innen produzieren, darunter auch die Textilbündnis-Unternehmen adidas, C&A, H&M, Lidl und Primark.

industriALL Global Union und industriAll European Trade Union fordern die EU auf, härter gegen die Militärjunta in Myanmar vorzugehen und unter anderem die EBA-Handelspräferenzen (Everything But Arms) aufzuheben. Das EBA-Handelsschema der EU gewährt Myanmar vorteilhafte Handelszölle und verstößt damit in eklatanter Weise gegen die Bestimmungen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU, die besagen, dass die begünstigten Länder die Grundsätze der fünfzehn Kernkonventionen zu Menschen- und Arbeitnehmerrechten einhalten müssen. Als Antwort auf die Aufforderung sagt EU-Sprecher Peter Stano: "Unter den gegenwärtigen Umständen würde die Rücknahme von Handelspräferenzen im Rahmen der EBA-Vereinbarung den falschen Menschen schaden und kaum militärische Interessen beeinträchtigen."

Laut der World Bank hat sich die Armut im Land seit März 2020 verdoppelt. Mit rund 40 % der Bevölkerung, die im Jahr 2022 unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben werden, ist fast ein Jahrzehnt der Fortschritte bei der Armutsbekämpfung zunichte gemacht worden. Nach Angaben von Save the Children haben Familien in Myanmar seit Februar 2021 im Durchschnitt mehr als die Hälfte ihres Einkommens verloren, und die steigenden Armutsraten drohen 17 Jahre wirtschaftlicher Fortschritte zunichte zu machen. Etwa 80 % der Familien gaben an, dass die Ernährung ihre größte Sorge sei, wobei Erwachsene in einem von fünf Haushalten die Mahlzeiten einschränken, um ihre Kinder zu ernähren. 

Am Montag berichtet der Spiegel, dass zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren in Myanmar Todesurteile vollstreckt worden sind. Die Militärjunta habe trotz internationaler Proteste die Todesurteile gegen vier im Januar verurteilte Dissidenten vollstreckt. Unter den Hingerichteten war der frühere Hip-Hop-Künstler und Parlamentsabgeordnete Phyo Zeya Thaw (41), dem unter anderem vorgeworfen wurde, einen bewaffneten Angriff auf einen Pendlerzug in Myanmars Metropole Yangon organisiert zu haben, bei dem fünf Polizisten starben. Er galt als enger Verbündeter von der früheren Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Außerdem wurde der bekannte Demokratieaktivist Kyaw Min Yu (53) hingerichtet. Die Junta warf ihm vor, in Onlinenetzwerken zu Unruhen aufgerufen zu haben.

Unternehmen im Textilbündnis

Gerry Weber, Hugo Boss und Puma heben Prognosen an: Gerry Weber erhöht die Umsatzprognose auf 315-340 Mio. Euro. Aber auch mit der angepassten Prognose liegen die Erwartungen noch unter dem ursprünglichen Zielbereich von 360-390 Mio. Euro. Nach überraschend guten Geschäften im zweiten Quartal schraubte Hugo Boss die Jahresprogrnose trotz der „anhaltenden makroökonomischen Unsicherheiten“ kräftig nach oben und rechnet nun für 2022 mit einem Umsatzwachstum um 20-25 % auf 3,3 bis 3,5 Mrd. Euro, was einen neuen Rekord in der Firmengeschichte bedeuten würde. Auch Puma feiert ein Rekordquartal mit einem Umsatz von über 2 Mrd. Euro und hebt die Umsatzprognose an. kik-Mutter Tengelmann steigert den Jahresumsatz um 0,8%. Aufgrund der langsameren Erholung des China-Geschäfts durch die coroonabedingten Lockdowns sowie eine zu erwartende schwächere Konsumlaune in anderen Ländern senkt adidas die Prognose für das laufende Geschäftsjahr und erwartet einen niedrigeren Gewinn (1,3 statt 1,8-1,9 Mrd. Euro).

Die s.Oliver Group schließt sich der Fair Wear Foundation an. Die ersten Schritte der Zusammenarbeit werden unter anderem der Aufbau eines zentralen Beschwerdemechanismus sowie eines Programms mit ausgewählten Lieferbetrieben sein, der den sozialen Dialog fördert.