Aktuelles/Briefing Room

Studien und Co.

anti slavery "Anti-Slavery International analysis of the European Commission proposal for a Directive on corporate sustainability due diligence" (PDF): Die Organisation veröffentlicht eine umfassende Analyse und Empfehlungen zur Behebung der Mängel des Vorschlags der Europäischen Kommission für ein EU-Lieferkettengesetz. Es wird positiv hervorgehoben, dass der Vorschlag die gesamte Wertschöpfungskette der Unternehmen abdeckt und die Verantwortung der Unternehmen nicht nur gegenüber ihren direkten Zulieferer*innen, sondern auch die Auswirkungen ihrer weiteren Geschäftsbeziehungen berücksichtigt. Bemängelt wird jedoch z.B., dass durch den Ausschluss von KMUs 99,8% der Textilunternehmen in der EU das Gesetz gar nicht einhalten müssten, da sie nicht darunter fallen. Zudem sollte die Richtlinie auch den geschlechtsspezifischen Bedürfnissen und anderen gefährdeten Gruppen wie Kindern, marginalisierten Gemeinschaften und Minderheiten, Heimarbeiter*innen und Wanderarbeiter*innen besondere Aufmerksamkeit schenken.

Modern Slavery & Human Rights Policy & Evidence Center "Effectiveness of mandatory human rights and environmental due diligence" (PDF): Dieser Policy Brief konzentriert sich auf die Effektivität der verpflichtenden Sorgfaltspflicht in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt und blickt dabei auf vorhandene Gesetze in Frankreich, Deutschland und Norwegen. Es gibt zahlreiche Berichte und Fallstudien, die darauf hinweisen, dass die Sorgfaltspflicht zur Wahrung der Menschenrechte (Human Rights Due Diligence, HRDD) in der Praxis in einer Reihe von Sektoren wirksam gegen Risiken der modernen Sklaverei eingesetzt werden kann. Belege für die tatsächliche Wirksamkeit können bisher jedoch nur durch das 2017 in Kraft getretene Gesetz in Frankreich gefunden werden. Zudem gibt es bisher nur wenige Untersuchungen zu den Auswirkungen von mHREDD-Gesetzen auf direkt betroffene Personen und zur Beteiligung dieser Personen an der Gestaltung solcher Gesetze.

Science Based Targets Initiative "Science-Based Net-Zero - Scaling Urgent Corporate Climate Action Worldwide - Science Based Targets Initiative Annual Progress Report 2021" (PDF): Laut diesem Bericht haben bis Ende 2021 2.253 Unternehmen sich entweder verpflichtet, ihre Emissionsreduktionsziele von der SBTi überprüfen zu lassen, oder die Überprüfung bereits abgeschlossen. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr mehr als eine Verdoppelung. Während die Akzeptanz wissenschaftlich fundierter Ziele je nach Region und Sektor unterschiedlich war, ist die Initiative der Ansicht, dass nun die "kritische Masse" für die Übernahme verifizierter Ziele in allen Schlüsselregionen erreicht sei. Weltweit haben sich 27% der Unternehmen, die in Bezug auf ihre Emissionen und ihren weiteren Einfluss als besonders einflussreich eingestuft werden, inzwischen wissenschaftlich fundierte Ziele gesetzt (kurze Zusammenfassung). Auch die Textilbündnis-Unternehmen Adidas, ALDI SÜD, C&A, H&M, Hugo Boss, Puma und Tchibo wurden untersucht, von denen alle (außer ALDI SÜD) auch über ihre Emmissionsziele entlang der Wertschöpfungskette (Scope 3) berichten (alle Ergebnisse im Appendix (PDF)).

ILR New Conversations Project "Security for Apparel Workers: Alternative Models": In dem Papier skizzieren die Forscher bestehende Ansätze, die versucht haben, Bekleidungsarbeiter*innen ein gewisses Maß an Einkommenssicherheit zu bieten, und nutzen diese, um die notwendigen Elemente eines "globalen Abfindungsprogramms" zusammenzustellen. Laut der Autoren ist der "Goldstandard" zur Unterstützung entlassener Arbeitnehmer*innen ein "umfassendes nationales Modell der Arbeitslosenunterstützung in Verbindung mit Abfindungsregelungen, die für alle Arbeitnehmer*innen unabhängig vom Sektor gelten". Die Realität sieht jedoch so aus, dass weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung Zugang zu irgendeiner Form des Sozialschutzes hat, so dass "die große Mehrheit der Weltbevölkerung in Zeiten der Not ungeschützt ist, sei es vor nationalen oder globalen wirtschaftlichen Schocks oder vor den verheerenden Folgen globaler Pandemien oder extremer Wetterereignisse". Die Autoren empfehlen einen globalen Abfindungsfonds, dessen Gelder durch eine Vereinbarung zwischen globalen Gewerkschaften und globalen Markenunternehmen bereitgestellt werden. Am 31.05. findet ein Webinar statt, in dem die Ergebnisse des Berichts diskutiert werden (zur Anmeldung).

News

Existenzsichernde Löhne und Überproduktion: In einem Vogue-Artikel erklärt Emily Chan den Zusammenhang von Existenzlöhnen und negativen Umweltauswirkungen der Modebranche. Derzeit gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen Marken, die sich für die Verwendung nachhaltigerer Materialien entscheiden, aber noch immer nicht sicherstellen, dass ihre Arbeiter*innen einen fairen Lohn erhalten. Angesichts der riesigen Mengen an Kleidung, die derzeit produziert werden, wäre es laut des Artikels ein nachhaltigeres - und ethischeres - Modell, den Bekleidungsarbeiter*innen einen existenzsichernden Lohn zu zahlen, damit sie weniger produzieren. "Die Zahlung eines existenzsichernden Lohns ist der schnellste Weg, um die Klimazusagen der Modeindustrie zu erfüllen", erklärt Ayesha Barenblat, Gründerin der Organisation Remake. "Der Grund für die Überproduktion und die Herstellung von Wegwerfkleidung ist die Zahlung von Ausbeuterlöhnen [...]. Wenn wir existenzsichernde Löhne vorschreiben würden, würden wir [auch] das Konsumproblem der Mode angehen". Einen ähnlichen Ansatz behandelte auch Elizabeth L. Cline in einem Forbes-Artikel (siehe News Update der KW 4).

US-amerikanisches Gesetz zur Modebranche auf Bundesebene: Senatorin Kirsten Gillibrand (NY) brachte am 12. Mai den Fashioning Accountability and Building Real Institutional Change (FABRIC) Act in den Senat ein. Sollte das Gesetz in Kraft treten, wird es die Grundsätze des kalifornischen Gesetzes zum Schutz von Bekleidungsarbeiter*innen (SB62) zur Bekämpfung des Lohndiebstahls auf das ganze Land ausdehnen und Anreize wie Steuerbefreiungen und Zuschussprogramme für Marken anbieten, die in den Vereinigten Staaten produzieren wollen.

Lieferkettengesetz: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein FAQ zum Lieferkettengesetz erstellt. Neben grundsätzlichen Fragen und Begrifflichkeiten wird u.a. eingegangen auf: den Anwendungsbereich des Gesetzes, Geschützte Menschenrechte im Detail (z.B. angemessene Löhne), Risikomangement und -analysen, Präventionsmaßnahmen, Dokumentation & Berichterstattung und die Überwachung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.

Produktionsländer

Bangladesch: Die EU hat Bangladesch aufgefordert, den EPZ Labour Act rasch zu ändern, damit Bangladesch das Handelsabkommen Everything but Arms (EBA) beibehalten kann, die einen zoll- und quotenfreien Zugang zum EU-Markt ermöglicht. Die Regierung in Bangladesch hatte Änderungen der Arbeitsvorschriften angekündigt, aber die genannten Fristen sind bereits seit Monaten verstrichen. Bezüglich der Änderung des Arbeitsgesetzes sagte der Präsident des Verbandes BGMEA, Faruque Hassan, dass es der EU um Themen wie die Einführung von Gewerkschaften gehe. Die Regierung könne aber aufgrund der Einwände ausländischer Investor*innen in den freien Exportzonen (FEZ) nicht sofort eine Entscheidung zu diesem Thema treffen.

In Bagerhat wurde eine Bekleidungsarbeiterin auf ihrem Heimweg von der Fabrik von 9 Männern vergewaltigt. Bereits letzten Monat berichteten wir (im News Update der KW 13) über eine Gruppenvergewaltigung einer Textilarbeiterin, die von einem ehemaligen Kollegin und zwei weiteren Männern vergewaltigt wurde.

Unternehmen im Textilbündnis

Gerry Weber erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2021 einen Verlust in Höhe von 5,078 Mio. Euro, was der Hälfte des Grundkapitals des Konzerns entspricht. Laut des Vorstands bestehe jedoch kein Grund zur Sorge, da das operative Geschäft und die Lieferfähigkeit nicht beeinflusst seien. Im News Update der KW 15 berichteten wir über vorläufige Zahlen, laut derer das Unternehmen ein Plus zwischen 25 und 30 Mio. Euro abzgl. der Überbrückungshilfe von 29,1 Mio Euro erwarte.

Bonprix, Tochterunternehmen von Otto, hat das Geschäftsjahr 21/22 mit einem Umsatzwachstum von 10% abschließen können. Neben dem positiven Ergebnis gab der Bekleidungshändler auch das Aus seines E-Commerce-Geschäfts in Russland bekannt.