Aktuelles/Briefing Room

Studien & Co.

Europa-Universität Viadrina im Auftrag vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz "Außergerichtliche Beschwerdemechanismen entlang globaler Lieferketten - Empfehlungen für die Institutionalisierung, Implementierung und Verfahrensausgestaltung": Verstoßen Wirtschaftsunternehmen gegen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, muss für die Betroffenen ein effektiver Zugang zu Abhilfe gewährleistet sein. Das Abhilfesystem soll nach den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte neben dem gerichtlichen Rechtsschutz auch außergerichtliche Beschwerdemechanismen umfassen. Der Bericht der Forschungsgruppe bestätigt die große Bedeutung niedrigschwelliger außergerichtlicher Beschwerdemechanismen in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes und plädiert für einen unternehmensübergreifenden Ansatz. Der Bericht bietet praxisorientierte Leitlinien für die Institutionalisierung, Implementierung und Verfahrensgestaltung außergerichtlicher Beschwerdemechanismen für Opfer von Menschenrechtsverletzungen entlang globaler Lieferketten.

Eco Age & Geneva School of Economics and Management & Geneva Center for Business & Human Rights "The Great Green Washing Machine Part 1: Back to the Roots of Sustainability" (PDF-Datei): Die Whitepaper-Reihe will kritisch bewerten, inwieweit die Bemühungen der Modebranche zu einem sinnvollen Wandel beitragen oder eine Ablenkung darstellen, die echten Wandel behindern. In diesem Zuge wird auch der Grüne Knopf bewertet: "Der Grüne Knopf vergibt sein Gütesiegel an Kleidungsstücke, wenn die betreffende Marke sicherstellt, dass die Löhne mindestens dem nationalen Mindestlohn oder dem Industriestandard (sofern dieser höher ist) entsprechen. (...) Indem die Verbraucher*innen darauf hingewiesen werden, dass Kleidungsstücke mit dem Grüner-Knopf-Siegel eine verantwortungsvolle Wahl sind, erschwert der Grüne Knopf die Durchsetzung existenzsichernder Löhne als Norm."

Homeworkers Worldwide & Cividep India "TOOLKIT: Finding hidden homeworkers in apparel & footwear supply chain" (PDF-Datei): Die mangelnde Sichtbarkeit von Heimarbeiter*innen erschwert es internationalen Marken und Einzelhändler*innen, die Probleme von Heimarbeiter*innen innerhalb ihrer eigenen Lieferketten anzugehen. Heimarbeiter*innen, hauptsächlich Frauen, sind häufig in informellen Bereichen der Bekleidungs- und Schuhlieferketten außerhalb der Fabriken beschäftigt. Aufgrund ihrer prekären Beschäftigung, die nicht im Blickfeld von Prüfer*innen und Inspektor*innen liegt, und des schwachen oder fehlenden Rechtsschutzes, sind sie dem Risiko der Ausbeutung ausgesetzt und haben mit die schlechtesten Löhne und Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer*innen in der Wertschöpfungskette. Dieses Toolkit soll Unternehmen helfen die Transparenz über Heimarbeit innerhalb ihrer Lieferketten zu verbessern.

News

Mikroplastik: 1. Weltweit wird der atmosphärische Transport von Mikroplastik erforscht. Wissenschaftler*innen untersuchten nun die Geschwindigkeit und das Ausmaß der atmosphärischen Ablagerung von Mikroplastik an verschiedenen Orten Sibiriens. Den gesammelten Daten zufolge fallen auf einen Quadratmeter in der Region Tomsk täglich 657±108 Mikrofragmente. Die meisten der Fragmente waren kleiner als 1 mm, und 66 % dieser Fragmente waren Fasern. Die Hauptquelle für Mikrofasern sind synthetische Textilprodukte in Abfällen und Wäscheabwässern. Die Biolog*innen der TSU wollen nun herausfinden, woher das Mikroplastik in der Atmosphäre stammt - z.B. Polyamid, Polyester, Polyacrylnitril oder andere Polymere. 2. Eine internationale Kooperation aus Branchenverbänden, Universitäten und Forschungsinstituten hat dem Europäischen Komitee einen gemeinsam entwickelten Teststandard für die Emission von Mikrofasern vorgelegt. Das Cross Industry Agreement soll in naher Zukunft bestätigt und die Grundlage einer neuen ISO-Norm werden, die Bekleidungshersteller*innen und politischen Entscheidungsträger*innen ein wichtiges Instrument zur Verringerung von Mikrofaseremissionen zur Verfügung stellt. Die Initiatoren (fünf europäische Industrieverbände) waren sich einig, dass der allererste Schritt zur Ermöglichung globaler Maßnahmen zu diesem Thema darin besteht, sich auf eine harmonisierte Testmethode zu einigen, die die Sammlung und den Vergleich von weltweit erzeugten Daten ermöglicht.

Einkaufspraktiken (STAR-Initiative): Am 16. September haben 13 Verbände, darunter die Mitglieder des von GIZ FABRIC unterstützten STAR-Netzwerks regionaler Herstellerverbände sowie die Partner International Apparel Federation und Better Buying Institute, gemeinsam das "White Paper on the Definition and Application of Commercial Compliance" (PDF-Datei) veröffentlicht. Diese erste gemeinsame Stellungnahme veranschaulicht die wichtigsten Ergebnisse ihrer Sustainable Terms of Trade Initiative (STTI), einer herstellergesteuerten Initiative, die sich auf die Schaffung fairer Einkaufspraktiken in der Textil- und Bekleidungsindustrie konzentriert. In der ersten Phase von STTI wurden "Schlüsselempfehlungen zu Einkaufspraktiken" ermittelt, die als zentrale Elemente der Handelsbedingungen betrachtet werden können, unter denen die Hersteller*innen Geschäfte machen wollen. Zudem gibt es "weiteren Empfehlungen" für weitere Verbesserungen der Einkaufspraktiken, die für die Schaffung einer gesünderen Käufer*innen-Lieferant*innen-Dynamik wichtig sind. Die zweite Phase wird sich mit Maßnahmen innerhalb der Lieferkette befassen, um die Einkaufspraktiken zu verbessern. Danach soll ein struktureller Dialog mit Hersteller*innen, Einkäufer*innen und Multi-Stakeholder-Initiativen entstehen, um die Einhaltung guter Einkaufspraktiken in bestehende Instrumente oder Initiativen einzubinden.

Produktionsländer

Türkei: 1. Ein Minibus mit Textilarbeiter*innen an Bord umfuhr eine heruntergelassene Schranke und wurde von einem Zug erfasst. Die Arbeiter*innen waren auf dem Weg nach Hause nach einer Nachtschicht. Sechs der Menschen starben bei dem Unfall. 2. Die türkische Polizei durchsucht Textilfabriken auf der Suche nach undokumentierten afghanischen Arbeitern, die informell in den Fabriken arbeiten.

Kambodscha: 1. Offiziellen Statistiken zufolge wurden in der ersten Hälfte dieses Jahres 276 Textilarbeiter*innen (zumeist Frauen), bei Verkehrsunfällen mit Lastwagen verletzt. Die Arbeiter*innen werden häufig in "Gitterboxen" auf Lastwagen zusammengepfercht, um billig transportiert zu werden. Zahlreiche Frauen haben bei Unfällen ihre Arme verloren, 33 Arbeiter*innen sind in der ersten Hälfte diesen Jahres bei solchen Unfällen gestorben. Yang Sophorn, Präsidentin der Cambodian Alliance of Trade Unions, verlangt Kontrolle durch Arbeitgeber*innen und Regierung und sagt "wenn sowohl die Regierung als auch die Unternehmen das Problem des Pendelns von Arbeitnehmer*innen weiterhin ignorieren, wird es auch weiterhin ein Problem bleiben". 2. Am 28. werden Arbeitgeber*innen, Gewerkschafter*innen und die Regierung über die Festlegung des Mindestlohns für Beschäftigte in der Bekleidungsindustrie abstimmen, nachdem bei drei Verhandlungssitzungen keine Einigung erzielt werden konnte. Von jeder Gruppe werden jeweils 17 Vertreter*innen abstimmen. Der Mindestlohn beträgt derzeit 192$; Arbeitergeber*innen wollen den Lohn auf 188$ senken, Gewerkschafter*innen fordern eine Erhöhung auf 204$. Die Regierung schlug bisher vor, bei dem derzeitigen Mindestlohn (192$) zu bleiben.

Vietnam: Seit Juli stiegen die Infektionszahlen in Vietnam rasant. Erst seit Mitte September gehen die Zahlen langsam zurück, eine Entspannung der Lage ist jedoch noch nicht absehbar. Vor allem in Ho Chi Minh sind die Auswirkungen katastrophal. Viele kleine Fabriken mussten schließen, größere Betriebe gingen der Forderung der Regierung nach und sorgten für Unterkünfte und Versorgung der Arbeiter*innen auf dem Fabrikgelände. Diese "bubbles" sind jedoch sehr teuer für die Fabrikbesitzer*innen und können zu schnellen Ausbrüchen führen, da die Arbeiter*innen nicht genügend Abstand halten können. Wenn die Fabriken schließen, bekommen viele Arbeiter*innen einen geringeren Lohn; viele von ihnen bekommen trotzdem keine Unterstützung der Regierung, wenn sie nicht in den "red zones" leben (siehe News Update KW 20).

Bangladesch: 1. Fabrikbesitzer Mostafiz Uddin spricht in einem Think Peace über US-amerikanische Anti-Dumping-Gesetze, durch die hohe Zölle auf Waren ausländischer Unternehmen erhoben werden, um etwa die eigene Textilindustrie zu schützen, als ausländische Polyesterhersteller*innen Waren unter dem Marktwert verkaufen wollten. Er argumentiert weiter, dass Bangladesch ebenfalls Anti-Dumping-Gesetze einführen sollte, um den eigenen Markt gegen Preisdumping von Markenunternehmen zu schützen. Er berichtet von Kolleg*innen aus der eigenen Branche, die Aufträge zu Preisen annehmen, die unter den Kosten liegen und sieht den Verband der Bekleidungshersteller*innen BGMEA und das Handelsministerium in der Verantwortung, dieses Problem anzugehen. Eine Lösung wären festgelegte Mindestpreise, mit Verwarnungen für Fabriken, die sich nicht daran halten. 2. Laut einer Studie sind 84% der Textilarbeiter*innen besorgt über die derzeitige Corona-Situation in Bangladesch. Zudem haben nur etwa 45% einen Mundschutz in den Fabriken bekommen.